Hohes Knödeln, tiefes Knurren: Lars Rudolph kommt mit Mariahilff und theatralem Überschwang, Flowin’ Immo mit seinem Brummbären-Rap

Sie kennen Lars Rudolph wahrscheinlich aus Film und Fernsehen. Kleiner, schmaler Typ, große Augen. Spielt meist Nebenrollen, immer die leicht fiesen Typen mit den wirren Haaren. Neu könnte ihnen allerdings sein, dass Rudolph, bevor er ein recht erfolgreicher Schauspieler wurde, schon ein nicht allzu erfolgreicher Sänger, Trompeter und Eintänzer war. Als solcher spielte er weitgehend vom Punk dominierte, von irgendwelchen Kunsttheorien nicht ganz unbeeinflusste und irgendwie doch nach Jazz klingende Musik in Bands, die Kixx, Stan Red Fox oder Ich schwitze nie hießen, aber nie über den Status des Lokalhelden hinauskamen. Dank dieser Vergangenheit entgeht Rudolph dem Vorwurf an alle singenden Schauspieler von Ochsenknecht bis Liefers, doch bitte bei ihren Leisten zu bleiben, und der Rest der Welt ist ungefähr darauf vorbereitet, wie sich sein neues Projekt Mariahilff anhören möge: ziemlich schräg nämlich.

Auf dem Debütalbum der Formation zerknödelt Rudolph mit Unterstützung einer Abordnung der Mandolinengruppe Kapaikos mal wieder Schlager, Jazz und auch ein paar Weltmusiken, die nicht schnell genug auf den Baum gekommen sind. Doch damit nicht genug: In „Mäntel“ wird ein alpiner Ländler parodiert, in „Zeit“ geht die Reise zum Heurigen nach Wien. Ähnlich ergebnisoffen auch die verbalen Beiträge von Rudolph: Dort geben „Gott und der Teufel“ ein Gastspiel, wird „die blödsinnige Helligkeit der Sonne am Morgen“ beklagt oder das Ende des Planeten prophezeit. Manchmal müssen auch die Matrosen ihre Hosen runterlassen, vermutlich vor allem, weil sich’s so hübsch reimt. Diese stets vehement zwischen krachledernem Humor und metaphysischer Überfrachtung wankenden Texte trägt Rudolph mit, wie die Produktinformation seiner Plattenfirma es nennt, „theatralem Überschwang“ vor. Man könnte auch sagen: Der Mann übertreibt. Aber nur so wie ein Theaterschauspieler, der zum ersten Mal vor der Filmkamera steht.

Sie kennen Immo Wischhusen wahrscheinlich nicht. Was schade ist. Denn als Flowin’ Immo ist er schon seit einigen Jahren einer der besten deutschen Rapper. Oder doch zumindest einer der prägnantesten: Tatsächlich ist Immos abgrundtief gelegtes Organ leicht wiederzuerkennen. Doch trotz dieses Alleinstellungsmerkmals kam der gebürtige Bremer nie über den Status des Geheimtipps hinaus. Er wurde mit dem Rest des Studentenraps von der Marktmacht des Gangsta- und Porno-Rap an den Rand gedrückt.

Umgezogen nach Berlin und mit seinem zweiten Album „Immoment“ wagt er nun einen erneuten Anlauf. Musikalisch reicht das Spektrum von watteweichen Popsongs wie „Manches Mal“ über technoiden Electro-Funk wie in „Ich bin Ichist“ bis zu fragilen Experimenten. Vor allem aber weiß Immo, wie man mit der deutschen Sprache umgeht, ohne dass dem Zuhörer die Ohren rot anlaufen. Und wenn ein Reim doch mal etwas hölzern daherkommt, dann knurrt ihn Immo mit seinem Brummbärenbass aus dem Fremdschämbereich. THOMAS WINKLER

■ Mariahilff: „Mariahilff“ (Roof Music/Indigo), live heute im Prater

■ Flowin Immo et les Freaqz: „Immoment“ (LaCosaMia/313JWP/SonyMusic)