Kein Erbarmen mit Sündern

Fonds bezahlt durch illegale Müllexporte verursachte Kosten. 13 Firmen sind dagegen

KARLSRUHE taz ■ Darf der Staat eine ganze Wirtschaftsbranche für ihre schwarzen Schafe haften lassen? Über diese Frage verhandelte gestern das Bundesverfassungsgericht. Geklagt hatten 13 Abfallexporteure, die nicht in den „Solidarfonds Abfallrückführung“ einzahlen wollen.

Der Fonds war 1993 nach einigen Skandalen eingerichtet worden. Er soll den Rücktransport deutschen Giftmülls finanzieren, wenn dieser illegal ins Ausland exportiert worden war. Die Firmen der Entsorgungswirtschaft speisen den Fonds mit ihren Beiträgen, denn beim illegalen Exporteur selbst ist meist nichts zu holen, weil er pleite oder gar nicht greifbar ist.

„Es kann nicht sein, dass die weißen Schafe für die Sünden der schwarzen Schafe bezahlen sollen“, protestierte im Namen der Kläger der Bonner Rechtsprofessor Fritz Ossenbühl. Er hält den Fonds für verfassungswidrig, der Staat müsse die Kosten selbst übernehmen. Dagegen verteidigte die Bundesregierung das Modell. „Den Exportmarkt für Sonderabfälle gibt es nur noch, weil sich die Staaten im Basler Abkommen von 1989 verpflichtet haben, herrenlosen Müll zurückzuholen“, argumentierte Hans-Joachim Koch, der Rechtsvertreter des Bundes. „Die rechtstreuen Abfallexporteure zahlen also nicht für die schwarzen Schafe, sondern für ihre eigenen Exportchancen.“

In der Praxis kam es seit 1993 kaum noch zu teuren Zwischenfällen. Nur achtmal musste der Fonds in den letzten zwölf Jahren deutschen Müll nach Hause holen. Die Kosten hierfür betrugen insgesamt 530.000 Euro. Man hatte mit Schlimmerem gerechnet. Zunächst war der Fonds mit immerhin 75 Millionen Mark gefüllt. „Da ist ein bürokratisches Monstrum entstanden“, schimpfte deshalb Fritz Ossenbühl. „Teilweise lagen die Verwaltungskosten des Fonds fünfzigmal höher als die Ausgaben für die Müllrückführung.“

Für einen kleinen Paukenschlag sorgte gestern Umwelt-Staatssekretär Rainer Baake (Grüne). In der Verhandlung kündigte er an, der Fonds werde bald aufgelöst. Schon seit 2003 müssen keine Beiträge für Exporte in EU-Staaten mehr bezahlt werden – dies hatte der Europäische Gerichtshof verlangt.

Dennoch ist das Karlsruher Verfahren wichtig. „Es geht um die Grundsatzfrage, ob der Staat in ähnlichen Fällen wieder eine derartige Fondslösung einführen kann“, betonte Baake. Das Urteil wird in einigen Monaten verkündet. CHRISTIAN RATH