Ein Kronzeuge, der unter Druck steht

Der „kritische Polizist“ und grüne Bundestagsabgeordnete Thomas Wüppesahl soll einen Raubmord vorbereitet haben

HAMBURG taz ■ Sie waren mal Freunde, einst. Als sie in der „Arbeitsgemeinschaft Kritischer Polizisten“ für eine demokratische Polizei kämpften und im Wahlkampfbüro der Grünen um einen Sitz im Bundestag. Jetzt sind aus den Freunden Gegner vor Gericht geworden.

Sie grüßen sich nicht, und Andreas Sch. spricht nur von „er“, wenn er von Thomas Wüppesahl erzählt. Als wolle er dadurch eine persönliche Distanz zu dem Menschen schaffen, den er mit seiner Aussage für Jahre hinter Gitter bringen soll. Die Staatsanwaltschaft wirft Wüppesahl vor, einen Raubmord vorbereitet zu haben. Andreas Sch. ist Kronzeuge der Anklage vor dem Hamburger Schwurgericht.

Wüppesahl, sagte er gestern aus, habe ihn im September 2004 in seinen Tatplan eingeweiht: Er wollte „in den neuen Bundesländern“ einen Geldtransporter überfallen, den Boten erschießen und ihm mit einem Fleischerbeil den Arm abhacken, um an den Geldkoffer zu kommen. Andreas Sch. sollte die Tatwaffe besorgen, „kein Spielzeug, sondern eine echte“, und sich keine Sorgen um sein Mordopfer machen: „Die Geldboten sind eh alle vorbestraft und wissen, was für einen Job sie machen.“ Ganz sachlich, sagt Andreas Sch., habe der frühere Freund seinen Plan vorgetragen.

Die Rolle des Kronzeugen, das ist offenkundig, behagt Andreas Sch. nicht. Wüsste man es nicht besser, man hielte im Saal den Kronzeugen für den Angeklagten und umgekehrt. Der eine, der auf der Anklagebank, scheint seinen Spaß zu haben. Seit Jahren hat Wüppesahl der Polizei Intrigen gegen sich unterstellt, und Freunde unter den Zuschauern bringen diese Theorie auch jetzt wieder ins Spiel. Andreas Sch., das ist offensichtlich, steht hingegen enorm unter Druck.

Und das nicht nur, weil er seinen früheren Freund den Ermittlungsbehörden ausgeliefert hat. Er hat sich gegenüber der Polizei bereit erklärt, den Lockvogel zu spielen und ist zum Schein auf Wüppesahls Plan eingegangen – bei der fingierten Übergabe der Tatwaffe klickten die Handschellen. Die Verteidigung befürchtet, dass der Zeuge in einem Maße von Polizei und Staatsanwaltschaft beeinflusst wird, das ein faires Verfahren gegen ihren Mandanten erschwert. Die Polizei hat Sch. im Vorfeld instruiert, worüber er aussagen darf und worüber nicht. Als das gestern bekannt wurde, unterbrach das Gericht die Vernehmung: Der Kronzeuge muss erst wieder in den Zeugenstand, wenn die Ermittler offenbart haben, wie weit seine Aussagegenehmigung reicht. ELKE SPANNER