„Unsere Geduld hat Grenzen“

EU-Entwicklungskommissar Louis Michel will die ständigen Verzögerungen in Kongos Friedensprozess nicht länger hinnehmen: „Wer damit spielt, bedroht die Stabilität“

taz: Herr Michel, der Friedensprozess in der Demokratischen Republik Kongo kommt nicht voran: Der Termin zur Machtübergabe an eine gewählte Regierung am 30. Juni 2005 wird wohl mangels Wahlvorbereitung um mindestens sechs Monate verschoben, und sogar eine zweite Verlängerung bis Juni 2006 reicht eventuell nicht aus. Wie soll die internationale Gemeinschaft, die den Friedensprozess überwacht und finanziert, damit umgehen?

Louis Michel: Man muss die Reformen und die Wahlvorbereitung beschleunigen. Eine kleine Verzögerung ist kein Grund für eine lange Verschiebung der Wahlen. Der Zeitplan muss wieder eingeengt werden. Ich werde im Mai nach Kinshasa fahren und die Parteien auffordern, einen neuen Zeitplan vorzuschlagen. Und ich will von ihnen wissen, wie weit sie sind.

Zeitpläne gibt es ja. Wie wollen Sie die Parteien in der Übergangsregierung davon überzeugen, sie diesmal einzuhalten?

Ich glaube nicht, dass die internationale Gemeinschaft endlos wartet. Unsere Geduld hat Grenzen. Dinge, die zugesagt worden sind, müssen auch umgesetzt werden. Also muss es im Parlament Fortschritte geben bei den ausstehenden Gesetzen wie Amnestiegesetz, Wahlgesetz und so weiter, bei der Annahme der neuen Verfassung, bei der Wählerregistrierung. Das alles hätte schon längst passieren müssen, und es muss endlich passieren! Ich kann verstehen, dass einiges ein bisschen länger dauert als geplant, aber die Gründe, die es am Anfang dafür gab, darf es heute nicht mehr geben.

Und wenn die Zeitpläne trotzdem nicht eingehalten werden?

Wenn die Bevölkerung denkt, dass die Politiker die Wahlen weit in die Zukunft verschieben wollen, und darüber sehr enttäuscht ist, ist der gesamte Friedensprozess in Gefahr. Aber er ist der einzige schnelle Weg zu Stabilität. Wer damit spielt, bedroht die Stabilität. Es hat Jahre gedauert, so weit zu kommen, seit dem ersten Friedensabkommen 1999. Damals waren wir in Belgien die Einzigen, die die internationale Gemeinschaft dafür mobilisieren wollten. Heute steht die internationale Gemeinschaft geeint hinter dem Prozess. Daran will ich Kongos Führer erinnern und sie auffordern, jetzt ihren Teil zu tun, damit die Wahlen innerhalb einer, sagen wir, akzeptablen Frist stattfinden.

Machen Sie sich Sorgen, als Pate des Friedensprozesses?

Ich mache mir keine Sorgen, aber ich denke, in dieser Schlüsselphase muss man daran erinnern, dass wir uns nicht an endlose Verzögerungen gewöhnen werden und dass die internationale Gemeinschaft, die viel in den Kongo investiert hat, ihre Erwartungen deutlich macht. Und das werde ich tun.INTERVIEW: FRANÇOIS MISSER