Kanzler beim Klima sehr entspannt

Auch wenn sie unterkühlt miteinander umgehen, kommen sich die Regierungschefs von Österreich und Deutschland klimatisch näher. Bei Kioto II treten Schüssel und Schröder auf die Bremse und wollen sich nicht auf langfristige Ziele festlegen lassen

AUS WIENRALF LEONHARD

Das Klima zwischen Gerhard Schröder und seinem österreichischen Amtskollegen Wolfgang Schüssel war nie herzlich. Dass Schüssel seinen Gast gestern bei einem Arbeitsbesuch in Wien warten ließ, hat zur Erwärmung dieser unterkühlten Beziehung nicht beigetragen. Dabei dürften gerade Klimafragen zu den Themen gehört haben, bei denen die Herren gar nicht so weit auseinander liegen.

Österreich und Deutschland profilieren sich zur Zeit in der EU als Bremser bei der Selbstverpflichtung zu klaren Emissionsreduktionen über die im Kioto-Protokoll festgesetzte Frist von 2010 hinaus. Während sich Umweltminister Josef Pröll noch letzte Woche im Umweltministerrat erfolgreich für ernsthafte Klimaschutzziele im so genannten Kioto-II-Prozess eingesetzt hat, soll Schüssel eine derartige Einigung verhindern wollen.

Die EU-Umweltminister hatten vergangene Woche beschlossen, eine Reduktion der Treibhausgasemissionen der Industrieländer um 15 bis 30 Prozent bis 2020 und um 60 bis 80 Prozent bis 2050 als EU-Position für die kommenden Klimaschutzverhandlungen zu fixieren.

Österreichs offizielle Position ist das nicht. Schüssels Sprecher geben sich zwar bedeckt. Doch inoffiziell heißt es aus dem Bundeskanzleramt, eine Festschreibung konkreter Zahlen vor Gesprächen mit Drittstaaten über weitere Bemühungen zum Klimaschutz wäre „verfrüht“. Deutschland ist differenzierter. Offiziell abgelehnt werden nur langfristige Klimaschutzziele der EU, also die bis 2050. Die bis 2020 angestrebte Reduktion trägt Berlin mit.

Von der österreichischen Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt hat Schüssel seinen Umweltminister desavouiert. Auf seine Anweisung ist Außenministerin Ursula Plassnik beim Außenministertreffen am 16./17. März als Einzige gegen die von den EU-Umweltministern beschlossenen Klimaziele eingetreten. Für die Opposition und die Umweltschutzorganisation Greenpeace ist das skandalös.

Die SPÖ warf Schüssel vor, er betätige sich „hinter verschlossenen Türen als Totengräber des Klimaschutzes“. Wenn sich Schüssel beim EU-Rat nicht aktiv auf die Seite der EU-Umweltminister stelle, so die Grüne Umweltsprecherin Eva Glawischnig, „ist das die Bankrotterklärung der ÖVP-Umweltpolitik“.

Greenpeace-Aktivisten, die schon seit Tagen gegen die Regierungspolitik in Österreich und Deutschland mobil machen, begrüßten Schröder mit einer Skelettmaskerade auf dem Ballhausplatz vor dem Wiener Bundeskanzleramt. Greenpeace fordert für die Industriestaaten eine CO2-Reduktion um 30 Prozent bis 2020 und um 80 Prozent bis 2050. Nur so könne der von der EU-Kommission berechnete und von den Umweltministern bestätigte Pfad für die Eindämmung des Klimawandels eingehalten werden.

„Wenn nicht rasch gehandelt wird, ist es zu spät um die Destabilisierung des Weltklimas abzuwenden. Das ist auch Bundeskanzler Schüssel bekannt“, so Greenpeace-Klimaexperte Erwin Mayer. „Wenn es zu keinen messbaren Zielvorgaben für die Zeit nach 2010 kommt, bedeutet das das Ende für den Klimaschutz bevor er richtig begonnen hat“, erklärt Mayer. Wenn Europa nicht – wie bei den Verhandlungen 1997 – für konkrete Ziele eintrete, dann werde das niemand tun.