LESERINNENBRIEFE :
■ betr.: „Merkels Treueversprechen“, „Die vergiftete Tugend Tapferkeit“, taz vom 7. 7. 09
Fehlen nur noch Militärparaden
Wieder ein Stück Militarismus mehr. Die Bundeswehr breitet sich in der Zivilgesellschaft immer weiter aus, wirbt offensiv für sich bei Jobmessen, Arbeitsämtern und Kirchentagen, Gelöbnisse werden in aller Öffentlichkeit bis hin zum Platz vor dem Reichstag abgehalten, ein Mahnmal für gefallene Bundeswehrsoldaten soll geschaffen werden, und nun gibt es spezielle Auszeichnungen für Soldaten. Jetzt fehlen nur noch Militärparaden, und die führen am besten durch das Brandenburger Tor. Deutschland ist militärisch gesehen auf einem schlechten Weg. JOACHIM FISCHER, Bremen
■ betr.: „Viele Muslima fühlen sich nur als Opfer betrachtet“, „Die Kopftuchmärtyrerin“, taz vom 8. 7. 09
Mangelnde Berichterstattung
Keine Kerzen für die Seele von Marwa E. und ihr Ungeborenes. Keine Beileidbriefe an die ägyptische Botschaft. Die Mehrheit in meinem Umfeldkreis weiß nicht einmal genau, was in Dresden am 1. Juli passiert ist: dass die ägyptische Frau eines ägyptischen Stipendiaten im Landgericht Dresden von dem Angeklagten, vermutlich aus islamfeindlichen Gründen, niedergemetzelt wurde.
Der Schwerpunkt der deutschen Berichterstattung beschränkt sich auf die Abscheulichkeit der Gräueltat und das schockierende Paradox, dass die Bluttat im „Haus des Rechts“ stattgefunden hat. Doch die muslimische Identität des Opfers bleibt im Hintergrund. Einige sagen, dass die Medien den kulturellen Hintergrund aus medienethischer Perspektive in solchen Fällen nicht betonen sollen. Ich frage mich, wo diese politische Korrektheit blieb, als ein deutscher Senior von zwei ausländischen Jugendlichen, darunter einer aus türkischer Abstammung, in einer Münchner U-Bahnhaltestelle vor einem Jahr brutal zusammengeschlagen wurde.
Als von den emotional explosiven Reaktionen bei den ägyptischen Massen während der Trauerfeier in Alexandrien berichtet wird, heißt es in der Süddeutschen Zeitung in der Überschrift „Wir wollen Vergeltung“. Wieder eine bequeme Berichterstattung, die die starren Stereotype über „gewalttätige Muslime“ nicht herausfordert. Denn die thematische Grundstruktur der Medienberichterstattung über den Islam in den deutschen Medien bleibt weiterhin verzerrt und von Gewalt dominiert. Die Muslime passen anscheinend eher in die Täterrolle, nicht aber in die Opferrolle. Es ist dieselbe Berichterstattung, die für die Annahme des in den Raum hereineilenden Polizisten gesorgt hat, dass er spontan auf den „arabisch aussehenden“ Ehemann geschossen hat, nicht aber auf den „westlich aussehenden“ Deutschlandrussen, der die Untat begeht.
Mir ist völlig bewusst, dass wir in einer Demokratie leben und dass eine Zensur gar nicht existiert. Sonst wäre dies nämlich meine spontane Erklärung für dieses „mediale Schweigen“. Warum nehmen die Medien die Araber und Muslime nur als Täter, aber nicht als Opfer wahr? Warum nehmen die Medien durch ihre mangelnde Berichterstattung den Arabern und Muslimen ihr Recht auf eine öffentliche „Solidarisierungskampagne“ und Sympathie? Denn bis auf die offiziellen, öffentlich wenig verbreiteten Erklärungen der Politiker und Gremien geht die ganze Geschichte regelrecht in den Medien unter. Zwar versuchen einzelne Kritiker des Feindbildes Islam, wie Dr. Sabine Schiffer, in der Pressemitteilung des Instituts für Medienverantwortung die Schieflage zu kritisieren, doch in den Mainstream-Medien bleibt kein Platz dafür.
Wenn die deutschen Medienmacher die Mängel in der bestehenden Berichterstattung über diesen Fall nicht einsehen, dann ist jegliche Diskussion um Reform in der Berichterstatttung zugunsten des „Dialogs der Kulturen“ und eines „friedlichen Multi-Kulti“ von Anfang an gescheitert.
HANAN BADR, Erfurt
■ betr.: „Wir leisten Schwerstarbeit“, Interview mit Betül Durnaz, taz Bildung vom 8. 7. 09
„Es ist nicht zu fassen“
Es ist nicht zu fassen: Da äußert sich endlich mal eine Lehrerin direkt von der Basis – und alles, was ihr einfällt, ist, Hartz-4-Empfänger nahezu pauschal als mehrfach unfähig darzustellen. Und mit ihrem Vorschlag, das Geld den Eltern einfach wegzunehmen, weil die ja unfähig sind, beweist sie zum einen, dass auch sie offensichtlich vor der (leider weit verbreiteten) pädagogischen Berufskrankheit Besserwisserei nicht gefeit ist. Zum anderen spielt sie der Bild-Zeitung und ihrem Klischeebild der unfähigen Sozialschmarotzer doch nur in die Hände!
Unfasslich auch, dass die Namen nicht anonymisiert sind – und dass die Kinder nicht gefragt wurden! Das ist einfach unprofessionell, gefährlich und naiv. Und Frau Durmaz scheint auch nur wichtig zu sein, dass sie „rechtlich abgesichert“ ist. In die Öffentlichkeit zu treten ist schön und gut, aber das Risiko für die Kinder müsste in diesem Fall so weit wie möglich reduziert werden. Wenn Frau Durmaz eine engagierte Lehrerin ist, sollte sich das doch auch auf der Ebene der öffentlichen Diskussion zeigen!
ULRICH LÜCKE, Ludwigsburg
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