Erst der Jobgipfel, dann der Finanzstreit

Woher das Geld nehmen für die Senkung der Unternehmenssteuer? Die Regierung hofft, dass sich die Sache zum Teil selbst finanziert. Eine höhere Mindeststeuer für Firmen könnte einen Beitrag leisten. Das jedoch lehnt die Opposition ab

VON HANNES KOCH
UND ULRIKE WINKELMANN

Rot-Grün und Union sind uneins darüber, wie das von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) am Donnerstag vorgestellte Wirtschaftspaket bezahlt werden soll. So attackierte die Union den Plan, die Mindeststeuer für Konzerne zu erhöhen.

Eigene Vorschläge, wie der Schröder-Katalog zu finanzieren sei, machte die Opposition nicht. Aus der CDU-Fraktion hieß es, „Rot-Grün muss einen kompletten, in sich schlüssigen Entwurf zur Gegenfinanzierung“ präsentieren. Regierungssprecher Anda widersprach: Der Kanzler habe seine Ideen genannt, „deswegen ist es jetzt an der Union, ebenfalls Vorschläge vorzulegen“.

Sowohl Regierung als auch Opposition wollen die Senkung der Körperschaftssteuer von 25 auf 19 Prozent mit höheren Einnahmen an anderer Stelle gegenfinanzieren. Nach Berechnungen des Bundesfinanzministeriums soll die Hälfte der Mindereinnahmen von knapp 6 Milliarden Euro dadurch kompensiert werden, dass die Steuer selbst besser fließt. Die Hypothese: Sinkt der Steuersatz, haben die Unternehmen weniger Anreiz, ihre Gewinne künstlich zu drücken, und versteuern deshalb einen größeren Teil als vorher. Außerdem soll der niedrige Steuersatz mehr Investitionen und damit auch mehr Arbeitsplätze hervorbringen.

Weitere 2,5 Milliarden Euro will die Regierung hereinholen, indem sie die Verlustverrechnung bei Film- und Medienfonds einschränkt. Diese dienen bisher als Steuersparmodell für reiche Privatpersonen. Heute kann man die gesamte Investitionssumme innerhalb eines Jahres auf sein Einkommen anrechnen. Künftig sollen nur noch Verluste eines Fonds mit den Gewinnen desselben Fonds verrechnet werden können. Solch einen Eingriff hält die Union für machbar.

Auch eine erhöhte Mindeststeuer für Unternehmen soll laut Rot-Grün einen Beitrag bringen. Das aber will die Union vermeiden. „Eine Verschärfung machen wir nicht mit“, heißt es aus der Fraktion.

Um die von Schröder vorgeschlagene Steuersenkung für Unternehmen zu finanzieren, forderte CSU-Landesgruppenchef Michael Glos Einschnitte auch im Sozialen.

Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) wird in den kommenden Wochen versuchen, zusammen mit seinen Länderkollegen Jochen Dieckmann (NRW) und Gerhard Stratthaus (Baden-Württemberg) ein Finanzierungsmodell zu erarbeiten.

Als „unkompliziert umzusetzen“ wurde von Koalitions-Wirtschaftsexperten der Großteil von Schröders Einzelmaßnahmen bezeichnet: Die extra 250 Millionen Euro für ältere Arbeitslose werde man der Bundesagentur für Arbeit schon noch abknöpfen.

Bei der Verbesserung der Zuverdienstmöglichkeiten von Langzeitarbeitslosen sei eine baldige Einigung zwischen Wirtschaftsminister Wolfgang Clement und dem CDU-Arbeitsmarktexperten Karl-Josef Laumann sehr wahrscheinlich. Was die Steuerentlastung für die Vererbung von Firmen angeht, so würden die Länder doch wohl hoffentlich mitziehen, schließlich handele es sich um einen Unions-Vorschlag. Die Fraktionssitzungen der Koalition gestern früh, hieß es, seien nach dem Wahldebakel von SPD-Ministerpräsidentin Heide Simonis in Kiel ohnehin reibungs- und kritiklos verlaufen.

Richtigen Ärger wird es allerdings geben, wenn die Regierung im Herbst tatsächlich mit einer Reform der Pflegeversicherung aufwartet. Denn hier ist die Koalition selbst uneins: Der Kanzler-Flügel der SPD tendiert Richtung Teilprivatisierung und dürfte hier mit der Union auch handelseinig werden. Der linke Flügel und die Grünen jedoch wollen eine Bürgerversicherung in der Pflege mit Belastung von Besserverdienern.

Die allergrößte Frage blieb auch gestern unbeantwortet: Wie viel Geld kostet eigentlich das gesamte Paket, und wer bezahlt das?

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