Drei Punkte für die Langeweile

Bayer Leverkusen holt sich beim 2:0 über den 1.FC Kaiserslautern Selbstvertrauen zurück. Das ereignisarme Spiel dient zur Stabilisierung der angeknacksten Psyche. Bayer-Fans schauen in die Vergangenheit und verhöhnen die Gäste

LEVERKUSEN taz ■ Das Partie war gelaufen, irgendwie zäh zogen sich die letzten zwanzig Minuten dahin, als sich die Leverkusener Fans zu einem gehässigen Ausflug in die Geschichte entschlossen. Also sangen sie, zur eingängigen Melodie von „Bruder Jakob“, an die Anhänger des Gegners gerichtet: „Kaiserslautern / Weißt Du noch? / Kannst Du Dich erinnern? / Markus Münch?“ Die Schmähgesänge, die das dramatische Bundesliga-Finale 1995/96 referierten, als Münch mit seinem 1:1-Ausgleichstor kurz vor Schluss den 1. FC Kaiserslautern erstmals in die zweite Liga bugsierte und der schluchzende Andreas Brehme hernach in Rudi Völlers Armen zusammenbrach, waren ziemlich bezeichnend für die Erleichterung, die sich nach dem verdienten 2:0-Sieg gegen die Pfälzer unter dem Bayer-Kreuz breit machte. War der Absturz nach zuletzt fünf Spielen ohne Sieg doch gestoppt. „Es war wichtig, dass wir mit einem Erfolgserlebnis in die Bundesligapause gehen“, meinte nicht nur Kapitän Carsten Ramelow.

Am größten war die Freude bei Jan-Ingwer Callsen-Bracker, der „zuletzt viel auf die Mütze bekommen“ hatte, wie es später Bayer-Coach Klaus Augenthaler in seiner gewohnt oberbayrischen Drastik ausdrückte. Auch diesmal war der 20-jährige Innenverteidiger, der zum sechsten Mal in Folge die verletzten Juan und Roque Junior ersetzte, zwar überaus nervös ins Spiel gestartet; seine jugendliche Verwirrtheit hatte unter anderem zwei Großchancen des flinken Halil Altintop produziert. Doch anders als zuvor hatte der großartig aufgelegte Keeper Jörg Butt diese Fehler ausbügeln können, und noch mehr: Callsen-Bracker köpfte beim ersten Vorstoß in die gegnerische Hälfte sein erstes Bundesliga-Tor. Durch das Erfolgserlebnis motiviert, steigerte sich der schüchterne Youngster im Spielverlauf erheblich und grinste bei den anschließenden Interviews. Auch Augenthaler fühlte mit dem gebürtigen Schleswig-Holsteiner, „Ich freue mich, er steigert sich von Spiel zu Spiel“.

Augenthaler durfte sich freilich ebenfalls als Gewinner fühlen. Hatte sich der taktische Schachzug, den Mittelfeldspieler Ramelow in das Deckungszentrum zurückziehen und den zuletzt indisponierten Placente auf die gewohnte linke Abwehrseite zu beordern, ausgezahlt. Vor allem die Maßnahme jedoch, Nationalspieler Bernd Schneider auf die Ramelow-Position im defensiven Mittelfeld zu ziehen, wirkte sich spürbar belebend aus. Nicht zufällig jedenfalls sorgten Schneiders Vorstöße und Spieleröffnungen für die wenigen Höhepunkte in eher niveauarmen 90 Minuten. Genauso wenig war es ein Zufall, dass Schneider direkt nach der Pause mit ein, zwei schnellen Haken die Lauterer Abwehr zerschnitt und sein präzises Zuspiel das vorentscheidende 2:0 durch Andrei Woronin ermöglichte.

Nach düsteren Wochen der Erfolglosigkeit schien jedenfalls wieder die Sonne in Leverkusen. Ramelow träumte nach diesen wichtigen drei Punkten sogar schon wieder von der Teilnahme an der Champions League, dahinter steckt die Gewissheit, das Juan in zwei Wochen in Bielefeld wieder dabei sein dürfte. Nur ein paar Gesichter verrieten an diesem ruhigen Nachmittag extreme Humorlosigkeit; diejenigen der Bodyguards, die für die Sicherheit der anwesenden SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering und NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück sorgen sollten. Vielleicht sollte man ihnen mal jemand erklären, dass sich nun wirklich keiner für irgendwelche Politiker interessiert, wenn der Ball einmal rollt. Auch nicht dann, wenn das Spiel so ereignisarm ist wie das am Samstag in Leverkusen. ERIK EGGERS