Bildungsnotstand in Kölns Westen

Weil immer mehr Familien nach Junkersdorf ziehen, fordern ansässige Eltern ein neues Schulgebäude in der ehemaligen belgischen Kaserne. Doch der Stadt ist das zu teuer

KÖLN taz ■ Junkersdorf ist Boomtown. Vor allem junge Familien mit Kindern zieht es in Kölns grünen Westen in neue Wohnungen und Einfamilienhäuser. Die zentral gelegene Ildefons-Herwegen-Gemeinschaftsgrundschule am Kirchweg 138 reicht bald bei weitem nicht mehr aus, fürchtet eine Bürgerinitiative und fordert eine neues Schulgebäude – anders als die Stadt, die hofft, den erwarteten Mehrbedarf mit angemieteten Schulräumen decken zu können.

Schätzungen des Amtes für Stadtentwicklung und Statistik der Stadt Köln gehen von folgender Faustregel aus: pro Neubau-Wohnung drei Menschen, jedem Altersjahrgang wird ein Prozent zugewiesen. Danach ergibt sich für das Schuljahr 2007/08 eine Höchstzahl von insgesamt 510 Grundschülern, derzeit werden 354 unterrichtet. Die 510 Kinder unterzubringen, sei – so die Verwaltung – bei einer maximalen Klassenstärke von 30 Schülern kein allzu großes Problem. Zwar gebe es im Schulgebäude nur Platz für 18 Unterrichtsräume, doch werde man ab dem Schuljahr 2005/06 zusätzliche Räume im benachbarten Pfarrgemeindehaus St. Pankratius anmieten. Außerdem wird die Erweiterung des Schulhauses überprüft.

Ganz andere Zahlen hat die Bürger-Interessen-Gemeinschaft Junkersdorf (BIG): Bei einer „Empirischen Erhebung des Grundschul- und Kindergartenbedarfs in Köln-Junkersdorf“, das heißt dem genauen Nachzählen in nur 82 Neu-Haushalten, zählte sie jetzt schon im Schnitt 3,7 Personen pro Haushalt. Nach ihren Berechnungen fehlen schon für 2006 110 Grundschulplätze, bis 2009 werde die Zahl „dramatisch“ zunehmen.

Statt die derzeitige Schule auszubauen, plädiert die BIG dafür, die Schule auf dem Gelände der ehemaligen belgischen Kaserne vom Bundesvermögensamt zu kaufen und zu modernisieren. Zu teuer, hat die Stadt schon errechnet, vor allem weil eine Turnhalle fehlt. Einschließlich Grunderwerb würde dies sechs bis sieben Millionen Euro kosten, die Erweiterung der Ildefons-Herwegen-Schule käme nur auf knapp über eine Million.

Strittig ist auch, ob eine an die Schule angrenzende öffentliche Grünfläche zur Erweiterung des derzeitigen Schulhofs genutzt werden darf. Die BIG hat auf dem Gelände vor mehreren Jahren einen ehemaligen Friedhof mit eigenen Mitteln restauriert. Inzwischen steht er unter Denkmalschutz. Den Beteuerungen der Stadt, dass sie die Grünfläche nicht nutzen will, glaubt die BIG nicht.

Elisabeth Scherer, Vorsitzende der Elternpflegschaft an der Ildefons-Herwegen-Schule, verlässt sich auf die Zahlen der Stadt, ebenso Sabine Ulke, schulpolitische Sprecherin der grünen Ratsfraktion. „Auch in Mülheim ist die Schulsituation eng. Wir können Junkersdorf nicht bevorzugen, nur weil hier eine Bürgerinitiative tätig ist“, sagt sie und verweist auf die leeren städtischen Kassen. Jürgen Hollstein, schulpolitischer Sprecher der CDU, ist sich mit Kölns SPD-Vorsitzendem Jochen Ott einig: „Die Stadt hat den Auftrag, noch einmal alle Optionen zu überprüfen. Das Ergebnis wollen wir abwarten.“

JÜRGEN SCHÖN