Im Hafen schlafen Schätze

Der Bremer Holz- und Fabrikenhafen zählt nach dem Urteil eines auswärtigen Experten zu den „eindrucksvollsten Hafenarealen Deutschlands“. Jetzt fürchten die Betriebe den Denkmalschutz

Bremen taz ■ In den alten Hafenarealen rechts der Weser gibt es 90 denkmalträchtige Einzelobjekte. Das hat ein Gutachten des Darmstädter Industriearchäologen Rolf Höhmann ergeben. Im Auftrag des Bremer Landesamtes für Denkmalpflege hat Höhmann das Gelände zwischen der Bremen-Oldenburger Eisenbahnbrücke und dem Space Park nach Erhaltenswertem durchforstet – die Anlagen auf der Neustädter Seite gelten diesbezüglich als weniger ergiebig.

Das Älteste, was Zweiter Weltkrieg und Wiederaufbau übrig gelassen haben, ist der Speicher der Hansa-Mühle von 1890. Der fünfgeschossige Backsteinbau steht an der Nordseite des Holz- und Fabrikenhafens, im spannendsten Restbereich der bis in die 60er Jahre boomenden Gegend. Höhmann zählt das Gelände sogar zu den „interessantesten und eindrucksvollsten Industrie- und Hafenarealen Deutschlands“. Das Werk I von Kaffee HAG (Architekt: Hugo Wagner), wo der weltweit erste als bekömmlich anerkannte entkoffeinierte Kaffee produziert wurde, hebt Höhmann sogar in den Rang einer „Architektur-Ikone“.

Allerdings: Eben dieser Teil des Hafens ist gleichzeitig der am stärksten genutzte. Die Skepsis der dort nach wie vor aktiven Firmen – allen voran die Rolandmühle – in Bezug auf die Überseestadt-Planung ist bekannt: Sie befürchten, das neue Dienstleister und AnwohnerInnen strengere Emissions- und Lärmschutzauflagen durchsetzen könnten, die etwa das nächtliche Löschen von Ladung verhindern. Weitere Rücksichtnahmen auf denkmalpflegerische Belange kämen ihnen sehr ungelegen.

Diese Erfahrung hat auch Höhmann bei seinen Exkursionen gemacht: „Insbesondere Veränderungssperren und Nutzungsbeschränkungen werden als zwangsläufige Folge von Denkmalschutz verstanden.“ Dabei seien gerade die denkmalschützenden Institutionen selbst an der Weiternutzung der Bauten interessiert. Sorgen bereitet in diesem Zusammenhang die geradezu gigantische, 1914 bis 1916 errichtete Getreideverkehrsanlage – zeitweise war sie Europas größter Getreideumschlagplatz. Sollte die derzeitige Futtermittellagerung aufgegeben werden – die Bremer Lagerhausgesellschaft hat sich schon 1999 zurück gezogen –, entstünde ein schier unlösbares Problem. Höhmann jedenfalls hält eine Umnutzung der monofunktionalen Anlage für „kaum vorstellbar“.

Seine Untersuchung dokumentiert auch die bereits erfolgten Substanzverluste: Nur ein einziger der früher etwa hundert Ladekräne ist übrig geblieben, der größte Teil der alten Kaimauern wurde durch metallene Spundwände ersetzt. Lediglich im Europahafen gibt es noch Kai-Reste inklusive des Molenkopfes. Das dazugehörige Molenhaus steht konsequenterweise bereits unter Denkmalschutz – obwohl es schon vor 80 Jahren bei einer Schiffskollision gehörig ramponiert worden war.

Jetzt stellt sich die Frage, in welchem Umfang weitere Objekte unter Denkmalschutz gehören. Erst kürzlich wurde eine der geschwungenen Abfertigungsrampen am Zollamt des Überseehafens abgerissen – das insgesamt eine Augenweide der 60er Jahre ist. Henning Bleyl