Blut macht Ferien

BLUTSPENDE Jedes Jahr im Sommer wird in den Kliniken das Blut knapp. Die Gesunden fahren in den Urlaub, die Kranken müssen aber dennoch operiert werden. Hinzu kommt, dass den Blutspendern der Nachwuchs fehlt

„Die Spender sind 40 bis 60 Jahre alt – damit stehen wir vor einer Herausforderung“

THOMAS BISCHOFF, DRK NIEDERSACHSEN

VON UTA GENSICHEN

Am 16. Juli wird in Hamburg das Sommerloch offiziell eröffnet. Denn pünktlich zum Ferienbeginn steigen jährlich tausende Familien in Flugzeuge, Autos und Bahnen, um in den Urlaub zu fahren. Für die Blutspendedienste sind diese sechs Wochen regelmäßig Totalausfälle. „Wir haben unsere Dauerblutspender aufgefordert, vor Beginn ihrer Urlaubsreise noch einmal bei uns vorbei zu kommen“, sagt Peter Kühnl, Direktor des Instituts für Transfusionsmedizin am Uniklinikum Eppendorf (UKE).

Besonders in den Sommermonaten leidet das Krankenhaus unter dem Blutkonservenmangel. Während Gesunde in den Süden fliegen, müssten Schwerkranke schließlich zu Hause bleiben, benötigten aber weiterhin Bluttransfusionen, sagt Kühnl. Ein weiteres Problem: Schwerverletzte bei Unfällen in und um Hamburg werden häufig in das gut ausgestattete UKE geflogen.

Während der Bedarf in den Sommerferien also besonders hoch ist, sinkt die Zahl der Spenden. Da reichen die Blutkonserven des eigenen Blutspendedienstes nicht aus. Das UKE muss deshalb Beutel von anderen Anbietern, beispielsweise vom DRK-Spendedienst in Lütjensee, hinzukaufen. „Aber auch dort macht sich der saisonale Rückgang bemerkbar“, sagt Kühnl. Doch nicht nur im Sommer, auch im Rest des Jahres könnten viele Operationen oder Krebstherapien ohne zusätzliche Blutbeutel nicht durchgeführt werden. „Das UKE benötigt für seine Patienten 33.000 Blutkonserven pro Jahr“, sagt Kühnl. Das entspricht rund 650 Vollblutspenden pro Woche. Tatsächlich spendeten aber nur 550 Menschen ihr Blut. Diese Spendermüdigkeit sei typisch für Großstädte, weiß der Transfusionsmediziner. Nur 3,5 Prozent der erwachsenen Bevölkerung zwischen 18 und 70 Jahren seien aktive Blutspender.

Ganz anders sieht es im ländlichen Niedersachsen aus. Dort lassen sich etwa 6,5 Prozent der Erwachsenen regelmäßig ihr Blut abzapfen. „Unsere Spender sind meistens zwischen 40 und 60 Jahre alt“, sagt Thomas Bischoff vom DRK-Blutspendedienst Niedersachsen und Bremen. Der Anteil der Jüngeren werde dabei immer kleiner. „Da stehen wir vor einer echten Herausforderung“, sagt er.

Um künftig auch die Jugendlichen zur Blutspende zu bewegen, hat das Rote Kreuz vor wenigen Wochen im Internet eine eigene Community-Seite eingerichtet. Angelehnt an Plattformen wie Studi-VZ oder Facebook können die Nutzer auf www.blutspender.net andere Blutspender kennenlernen, Nachrichten verschicken oder Fotos hochladen. Außerdem erinnert die Seite an Blutspendetermine in der Nähe des Wohnorts. Bei Engpässen könnten dadurch Spender schneller informiert werden, teilt das DRK mit.

Gegen saisonal bedingte Einbrüche wie das Sommerloch kann wohl aber auch eine moderne Internet-Plattform nichts ausrichten. Trotz laufender Ferien ist Thomas Bischoff dennoch optimistisch, gut über den Sommer zu kommen. Nur in den ersten Julitagen seien die Zahlen eingebrochen. Weil es draußen schwül war, blieben viele Spender zu Hause. Im Vergleich zu einem durchschnittlichen Tag gingen etwa zehn Prozent weniger Menschen zu den Blutspendeterminen. Richtig dramatisch werde es in Niedersachsen erst wieder im Winter. „In diesem Jahr hatten wir einen katastrophalen Januar und Februar“, sagt er. Schnee und eine lang anhaltende Grippewelle ließen das Spendevolumen stark zurückgehen. „Das war ein echter Notstand“, erinnert sich Bischoff. In so einem Fall bliebe den Kliniken nichts anderes übrig, als Operationen zurückzustellen und Blut aus anderen weiter entfernten Regionen aufzukaufen.

Solche Notstände könnten in Zukunft öfter auftreten – sogar ohne Kälteeinbruch oder Sommerferien. Während junge Menschen immer seltener Blut spenden, werden die Alten immer älter. Dadurch wächst die Zahl der Operationen, der Verbrauch an Blutkonserven steigt. „Diese demografische Entwicklung erfordert verstärkte Werbemaßnahmen bei Jugendlichen und jüngeren Erwachsenen“, sagt Peter Kühnl.