Kostenlose Kultur für Arbeitslose

Hartz IV-Opfer dürfen umsonst ins Mülheimer Theater gehen. Nur wenige Häuser im Ruhrgebiet wie in Gelsenkirchen wollen nachziehen, die meisten finden ihre Eintrittspreise jetzt schon günstig

von ANNIKA JOERES

Roberto Ciulli lädt alle Arbeitslosen ein: Ab sofort können Hartz-IV-Empfänger kostenlos alle Vorführungen seines Mülheimer Theaters an der Ruhr besuchen. „Über fünf Millionen Arbeitslose werden vom kulturellen Leben ausgeschlossen“, sagt der Intendant. Die Folgen für eine demokratische Entwicklung seien weitreichend. „Wir haben eine besondere gesellschaftliche Verantwortung“, sagt Ciulli. Museen, Theater und Bildungseinrichtungen fordert er auf, dem Ausschluss großer Teile der Bevölkerung entgegenzuwirken.

Ciullis hofft auf eine Signalwirkung für die Kulturlandschaft. Bisher müssen Arbeitslose in allen Aufführungen, Ausstellungen und Vorträgen des Reviers Eintritt bezahlen, manchmal bekommen sie eine Ermäßigung wie auch Studierende oder SeniorInnen. In einigen Städten gibt es Pässe, die ebenfalls vergünstigte Eintrittspreise garantieren – kostenlosen Zugang bieten sie allerdings nicht.

Das Gelsenkirchener Musiktheater (MIR) will Mülheim nacheifern. In der Stadt mit der höchsten Arbeitslosenquote Westdeutschlands ist jeder vierte ohne Job. „Wir planen den kostenlosen Eintritt, sind aber noch nicht so weit“, sagt MIR-Sprecherin Verena Kögler. Zum Beispiel sei noch unklar, wie sich die Hartz-IV-EmpfängerInnen ausweisen. „Vielleicht ist es für sie entwürdigend, sich als Bedürftige an der Kasse zu melden“, sagt Kögler. Bis zur nächsten Saison will das Haus eine Lösung gefunden haben. „Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst.“

In Bochum hat Ciullis Vorstoß überrascht. Das Schauspielhaus will den Vorschlag zum ersten Mal gehört haben, aber darüber nachdenken. Essen ist sich schon sicher, bei den bisherigen Ermäßigungen zu bleiben. „Kostenlose Besuche können wir nicht gewähren“, sagt Azita Mortazawi vom Essener Aalto-Theater. Gründe habe die Geschäftsführung nicht angeben wollen, „aber wir müssen auch wirtschaften“, sagt Mortazawi.

Arbeitslose in Dortmund haben bisher auch kein Glück. Tilman Schlömp, Sprecher des Konzerthauses Dortmund, findet seine Tickets günstig genug. „Die untere Preisgruppe kann sich jeder leisten“, sagt Schlömp. Natürlich komme es auf die Veranstaltung an, aber zu einigen Konzerten gebe es schon Tickets ab vier Euro 30. „Da gibt es keine Schwelle“. Schlömp glaubt auch nicht, dass Hartz IV die Menschen von Konzertbesuchen abhalten könnte. Den letzten großen Besucherknick habe es 2002 gegeben, als die Sorge um Renten groß war. Schloemp treibt vor allem die Frage nach den Besucherzahlen um. „Sind sinkende Zahlen ein Ausdruck von Frühjahrsmüdigkeit oder Hartz IV? Das ist doch alles Spekulation.“

Das Duisburger Lehmbruck-Museum will die Preisschraube nicht drehen. Grundsätzlich sei Ciullis Idee zwar überlegenswert, aber die reduzierten Eintrittspreise seien schon jetzt gering. „Bei ermäßigten zwei Euro ist die Spanne zu Null nicht mehr groß“, sagt Sprecher Christian Gänsicke. Den kostenlosen Museumsbesuch an Freitagnachmittagen habe man sogar vor Jahren wieder abgeschafft. „Niemand hat diesen Tag genutzt.“