Die Rache des kleinen Mannes

Nur ein paar Tage nach dem Sieg über Bayern verliert der FC Schalke 04 gegen Aufsteiger Mainz und findet sich nach einer Woche auf Platz eins in der Rolle des Bayernjägers wieder. Der Transferstreit um den langzeitverletzten Mimoun Azaouagh hat derweil einen neuen Höhepunkt erreicht

MAINZ taz ■ Rudi Assauer hat sich nicht viele Freunde gemacht über das Wochenende, und im Mainzer Bruchwegstadion wurde dem Manager des FC Schalke 04 auf einem Transparent vorgehalten, was man von ihm will: „Assauer, rück die Kohle raus!“ Seit Wochen köchelt der Streit zwischen Mainz 05 und den Gelsenkirchenern. Es geht um den Wechsel von Mimoun Azaouagh, 22, während der Winterpause. Der gebürtige Marokkaner, vielerorts als größtes deutsches Mittelfeldtalent gepriesen, war im Januar auf Krücken zur Vertragsunterzeichnung angetreten. Fußball gespielt hat er seitdem nicht. Eingerissener Meniskus und lädierte Kapsel im Knie, deshalb war Azaouagh im November operiert worden. Kurz danach zerstritt er sich mit seinem Arbeitgeber in Mainz und sein Berater Klaus Gerster forcierte den Wechsel nach Schalke.

Und Assauer griff zu. Für 700.000 Euro Transferentschädigung. Gekauft wie gesehen? Denkste! Trotz einer Untersuchung durch Schalker Vereinsärzte, die Sporttauglichkeit attestierten, und trotz zweier Mahnbescheide verweigert Assauer die Überweisung. Begründung: Der Mainzer Manager Christian Heidel habe ihm per Ehrenwort zugesichert, über den Ablösebetrag nachzuverhandeln, falls Azaouagh nicht in einem angemessenen Zeitraum fit werde. Und das wird er nicht. Am 4. März wurde der Profi abermals operiert, wieder im linken Knie. Und Assauer schickte über Rechtsanwalt Christoph Schickhardt einen Brief an Heidel und wetterte über „arglistige Täuschung“, mithin sei die Wechselvereinbarung ungültig. Das war am Freitag. Einen Tag später schimpfte der Manager im ZDF, am Sonntag dann bei Premiere und im Südwestrundfunk. Die Assauer’sche Medienkampagne gipfelte in der Aussage: „Wir haben Azaouagh sporttauglich geschrieben, weil er auf Straße stand.“ So ging es 48 Stunden munter hin und her zwischen den Aufsteigern aus Mainz und dem Tabellenzweiten der Fußball-Bundesliga, und vor diesem Hintergrund trafen die beiden Teams im Bruchwegstadion aufeinander. Das Ergebnis, 2:1, war so etwas wie die Rache des kleinen Mannes am arroganten Jongleur des großen Geldes. Denn das Siegtor schoss Michael Thurk, einst groß geworden im Frankfurter Gallusviertel, einem sozialen Brennpunkt.

„Ihr werdet nie deutscher Meister“, höhnten die Mainzer Fans. Nun ja. 53 Punkte für München, 53 für den Klub aus Gelsenkirchen, da sollte noch alles möglich sein. Mit den Worten: „Die Bayern müssen auch noch hierher“, sprach der Mainzer Trainer Jürgen Klopp seinem Kollegen Ralf Rangnick schon mal Mut zu.

Und während sich Mainz 05 über den höchstwahrscheinlichen Klassenverbleib freut, der Schalker Stürmerstar Ailton in Brasilien seinen kranken Vater besucht und sein Landsmann Lincoln womöglich Dankesgebete spricht, weil er nach einem Schlag ins Gesicht des Mainzers Benjamin Auer nicht mit der roten Karte vom Feld geschickt worden war, eskaliert der Transferstreit Assauer vs. Mainz 05 weiter. Der Mainzer Präsident Harald Strutz, von Beruf Rechtsanwalt, zieht sogar eine Strafanzeige gegen Assauer wegen Verleumdung in Erwägung. Schließlich werde mit dem Vorwurf der arglistigen Täuschung „ein Betrugsversuch unterstellt“. Im Übrigen sei er erschüttert. „Herr Assauer soll nicht glauben, dass wir ihn schonen.“ Post bekommen wird der Liebhaber schmackhafter Zigarren demnächst auch von Jürgen Eichhorn aus Straubing. Der Professor hatte Azaouagh im November operiert und Schalke 04 sämtliche Krankenunterlagen zur Verfügung gestellt. An die Öffentlichkeit gelangt sind mittlerweile auch die vereinbarten Zusatzzahlungen, die mit dem Wechsel verbunden sind. 350.000 Euro, wenn Schalke 04 die Champions League erreicht, 250.000 Euro beim Einzug in den Uefa-Cup, 100.000 Euro für das erste A-Länderspiel von Azaouagh, 8.000 Euro für jeden Bundesligaeinsatz bis 31. Dezember 2005. In der Summe könnte es vor Gericht also um einen Streitwert von mehr als einer Million Euro gehen. Wert sein soll dies ein Profi mit lediglich acht Erstligaspielen. Berater Gerster übrigens dürfte sein Honorar erhalten haben, denn er sagt: „Ich bin mit Schalke 04 absolut im Reinen.“ Assauer hingegen stichelt im Knie-Fall Azaouagh weiter gegen Mainz 05: „Herr Heidel ist sicher ein fähiger Mann, aber nicht so lange im Geschäft.“ Unabhängigen Beobachtern drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass sich der Schalker Manager finanziell verhoben hat bei dem Transfer. „Unseriös und bodenlos“ findet Strutz das Verhalten von Assauer. „Wer glaubt er eigentlich zu sein?“

UWE MARTIN