ÄRGER IN DER U-BAHN
: In Zukunft getrennt

Du nimmst einfach zu viel Platz weg

Langsam öffnen sich die Türen der U6. Jeder der Fahrgäste will der Erste sein, deshalb quetschen sich alle gleichzeitig aus der U-Bahn hinaus. Dass die Wartenden schon beim Einfahren der U-Bahn ihre Positionen vor den Türen eingenommen haben, lässt das Gedrängel noch größer und die Menschenmasse noch wütender werden.

Das ältere Paar, das an der U-Bahn-Haltestelle Kochstraße vor mir aussteigt, fällt auf, da ganz in Tarnfarben gekleidet. Er trägt einen Safarihut, ein khakifarbenes Jackett, eine khakifarbene Hose, beige Schuhe. Sie sieht wie sein blässliches Spiegelbild aus. Es ist eng, doch die beiden laufen eingehakt Richtung Treppe. Da rempelt der Mann im Vorbeigehen eine junge Frau mit mutmaßlichem Migrationshintergrund und einer Vorliebe für prollige Klamotten an – ob mit Absicht oder aus Versehen, wer weiß das schon –. die unsanft gegen die Wand stößt. Perplex verharrt die Frau in ihrer Position und wartet auf ein Wort der Entschuldigung, doch das Safari-Paar läuft bereits die Treppe hoch.

Da stürmt die junge Frau auf den Mann zu, kickt ihm kräftig gegen das Bein und schreit ihn an: „Was war denn das gerade? Sie können sich wenigstens entschuldigen!“ Der Mann ist völlig verstört: „Was wollen Sie überhaupt von mir?“ Seine Frau geht unterdessen einfach weiter. Es kommt zu einem kleinen Handgemenge. Er scheint kurz vor einem Herzinfarkt zu sein, japst und keucht. Da löst sich die Situation auf, die Leute strömen in verschiedene Richtungen davon.

Der Mann regt sich auf: „Ich hatte die Frau gar nicht gesehen, das passiert eben mal, wenn es so voll ist auf dem Bahnsteig.“ Sie schweigt. Entgegenkommend ist ihr Verhalten jedenfalls nicht. Da ergänzt er bitter: „Das kommt davon, dass du immer neben mir läufst anstatt vor mir. Du nimmst einfach zu viel Platz weg, immer machst du dich so breit. In Zukunft fahren wir getrennt U-Bahn.“ FRANZISKA SEYBOLDT