NEBENSACHEN AUS PORTO ALEGRE VON GERHARD DILGER
: Den Besen schwenken statt Wasser verschwenden

Im brasilianischen Bundesstaat Rio Grande do Sul setzen neue Ökos auf das Prinzip Hoffnung

Brasilianer sind Autonarren. In Porto Alegre sind bei 1,5 Millionen Einwohnern gut 400.000 Pkws zugelassen, und es werden täglich mehr. Noch haben die Staus auf den Stadtautobahnen nicht die albtraumhaften Dimensionen von São Paulo erreicht, aber die „motorisierte Apokalypse“ rückt auch hier immer näher.

Brasilianer haben einen Sauberkeitsfimmel – vor allem, wenn es um die eigenen vier Räder, vier Wände oder den Bürgersteig davor geht. In meinem Viertel spritzen Hausangestellte und Hausmeister mit Schläuchen und voller Hingabe täglich Bürgersteige und andere Steinflächen ab. Autos werden mindestens so oft gewaschen und gewienert wie in Deutschland.

Damit soll es nun bald vorbei sein. Bereits vor drei Jahren hat der Abgeordnete Giovani Cherini im Landesparlament von Rio Grande do Sul einen Gesetzesentwurf eingebracht, wonach das Waschen von Autos und Bürgersteigen mit Trinkwasser verboten werden soll. Nun liegt die Initiative beim zuständigen Ausschussvorsitzenden. Bis Jahresende könnte sie verabschiedet werden, hofft der Politiker der Demokratischen Arbeitspartei.

Droht mit dem Gesetz nun eine Art „altlinker Ökototalitarismus“, in dem die Freiheit des einzelnen Umweltsünders dem Allgemeinwohl zuliebe eingeschränkt wird? Nein, Brasiliens neue Ökos setzen lieber auf das Prinzip Hoffnung. Cherini hebt die pädagogische Wirkung seines Vorschlags hervor. Die Gaúchos und Gaúchas – die EinwohnerInnen des südlichsten brasilianischen Bundesstaates – hielten Vorschriften mehr ein als andere, versichert er: „Wenn das Gesetz durchkommt, wird es von 80 Prozent befolgt.“

Um Kontrolle oder Bestrafung hat er sich erst gar nicht gekümmert, das müsse die Landesregierung regeln. Dummerweise gehört die aber zu den neoliberalsten in ganz Brasilien und baut den Staat ab, wo es nur geht. Schwer vorstellbar, dass ein Wasserverschwender tatsächlich bestraft werden könnte.

Die Hausfrauen- und Verbraucherbewegung von Rio Grande do Sul hat der Abgeordnete bereits auf seiner Seite. Putzfrauen und ihre Chefinnen müssten sich darüber klar werden, dass Wasser ein endliches Gut sei und der Schlauch durch den Besen ersetzt werden könne, meint deren Vorsitzende Edy Maria Mussoi. So könnten sie zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: „So entlastet man die Haushaltskasse und hilft der Erde beim Überleben.“

Erst einmal ans eigene Überleben denken hingegen die allgegenwärtigen flanelinhas („Tüchlein“), jene selbst ernannten Parkwächter, die ihren kargen Sold fürs Aufpassen gerne mit einer Schnellwäsche verbinden. Victor Soares, 27, braucht pro Fahrzeug einen Eimer Wasser und bekommt dafür nicht einmal 2 Euro. Er macht ein besorgtes Gesicht, als er von dem Gesetzesentwurf hört. Die Idee, mehr Regenwasser einzusetzen, kommt ihm ziemlich utopisch vor.