Nur für Opfer da

Rechtsanwalt Tobias Krull (Foto) vertritt im Flensburger Amtsgerichtsverfahren gegen einen ehemaligen Jugendamtsmitarbeiter und einen Heimleiter die Interessen der Nebenklägerin. Krull hat sich im Sommer 2002 sehr bewusst der Kanzlei von Rechtsanwältin Annelie Schmid in Harrislee angeschlossen, die sich seit Anfang der 80er Jahre auf die Themen Opferschutz und Familienrecht spezialisiert hat: „Wir vertreten ausdrücklich niemals einen Täter“, so Krull. Von der Kanzlei aus wurde 2003 auch die Anzeige gegen die beiden Beschuldigten initiiert. Krull: „Wir haben nach dem Prozess gegen den jugendlichen Missbrauchstäter im Dezember 2002 zunächst abgewartet, ob die Staatsanwaltschaft aufgrund der erzielten Erkenntnisse selbst Ermittlungen aufnimmt.“ Als dies nicht geschah, wurde Anzeige erstattet.

Zwei Ziele: Die öffentliche Wahrnehmung für gesellschaftliche aber auch individuelle Verantwortung zu stärken sowie involvierte Personen und Behörden für den Opferschutz zu sensibilisieren. Krull: „Hinterher ist man immer schlauer – dieser Spruch reicht hier nicht. Mit ‚hätte man bloß und könnte man doch‘ geht grundsätzlich gar nichts mehr. Es ist an der Zeit, die Behörden aus dem Schlaf zu wecken.“ Gerade in diesem Fall sei eigentlich alles klar. „Die Sachverhalte werden nicht hinterfragt. Die Zuständigkeiten sind auch klar. Expertenmeinungen liegen vor“, zählt Krull auf. „Eindeutiger geht es nicht. Hier liegt ein öffentliches Schutzinteresse vor einem aggressiven Sexualtäter vor und selbst dieser hat eigentlich ein Recht darauf, von seinen gesetzlichen Vertretern beziehungsweise von der Heimleitung, die Fürsorge für ihn trägt, vor seinen Verhaltensauffälligkeiten geschützt zu werden.“

Außerdem sei es an der Zeit, so Krull, dass die neuesten Erkenntnisse der Psychologie in die Beurteilung einflössen. Längst sei bekannt, dass die Anzeige eines Missbrauchs für die Opfer besser sei, als deren ewiges Schweigen, da nachfolgende Aussagen auch zu einer Schuldbefreiung führen könnten und somit die Chance zuließen, das Leben neu zu organisieren. Krull: „Sicher ist es für ein Opfer immer wieder eine Tortur, sich in einem Zeugenstand zur Tat zu äußern. Dennoch sind die möglichen Vorteile höher zu bewerten.“ Er wünsche sich in diesem Zusammenhang den verstärkten Einsatz von Video-Aussagen als passendes Mittel für den Opferschutz. osch