Im Ödland fallen die Bäume

In dem zerstörten Dorf Horno leben noch ein Gärtnerehepaar und sein Mieter. Mit dem Stromkonzern Vattenfall liefern sie sich einen heftigen Kleinkrieg um ihre Existenz. Jetzt wurde ihr Obstgarten gefällt

VON HELMUT HÖGE

In dem mittlerweile zerstörten sorbischen Dorf Horno in der Lausitz lebt nur noch das Gärtnerehepaar Domain und ihr Mieter Michael Gromm. Der Braunkohlekonzern Vattenfall hatte den Domains zuletzt 450.000 Euro für ihren zwei Morgen großen Obstgarten und die Hofstelle geboten. Sie blieben jedoch standhaft: „Wir wollen unseren Garten behalten, davon leben wir. Neu gepflanzte Bäume brauchen zehn Jahre, bis sie wieder tragen. Das erleben wir gar nicht mehr – meine Frau und ich sind schon über 60“, so die immer wieder vor dem Landesbergamt in Cottbus vorgetragene Argumentation von Werner Domain.

Der Vattenfall-Anwalt Dammert verlor darüber schon mal seine Geduld: „Hören Sie auf mit Ihren Scherzen, sonst ziehen wir andere Saiten auf“, drohte er dem Biogärtner. Es blieb nicht bei der Drohung: Im Juni 2004 wurden die Domains enteignet. Sie erhoben dagegen Klage – das hatte aufschiebende Wirkung. Im Januar 2005 wurde diese jedoch ausgehebelt, weil das Bergamt einem Vattenfall-Antrag auf „einstweilige Besitzeinweisung“ zustimmte. Sie sollte Ende 2005 greifen, wenn die Braunkohlebagger sich am Hornoer Berg bis an das Hofgrundstück herangearbeitet haben. Domains Mieter Gromm erstattete daraufhin Anzeige wegen Betrugs gegen den schwedischen Energiekonzern.

Nun waren wieder die Vattenfallmanager dran: Sie ließen jetzt heimlich 32 Obstbäume im hinteren Teil des Gartens von Domain über eine Länge von 100 Metern fällen. Die Täter hatten es eilig: So sägten sie etwa den Birnbaum „Gräfin von Paris“ nicht unten am Stamm ab, sondern kappten einfach seine Krone. Gänzlich umgelegt wurden die Birnenbäume Clapps Liebling; Köstliche von Chaneu; Bunte Julibirne und Alexander Lucas sowie die Apfelbäume Danziger Kantapfel; Gelber Köstlicher; Goldparmäne, Ingrid Marie und Aderslewe Kawill. Ferner drei Walnuss- und zwei Pflaumenbäume. Wie zum Hohn ließ die Truppe den Pfirsichbaum der Domains mittendrin stehen. Das Gärtnerehepaar erstattete Strafanzeige gegen unbekannt.

„Kurz darauf kam der Vertreter eines mit anderen Arbeiten in Horno beauftragten Planungsbüros zu uns in den Garten“, berichtete Werner Domain. „Weil er am Tag zuvor in Horno beschäftigt war, hatte Vattenfall ihn gebeten, sich ‚die Sache mal anzuschauen‘. Er sagte uns, dass er vor kurzem bei einem Treffen war, bei dem eine ,neue‘ Firma mit Baumfällen beauftragt wurde. Sie sei aber darauf hingewiesen worden, wo sie Bäume fällen sollte und wo nicht.“

Die Firma wurde jetzt als die „Rea GmbH“ aus Drebkau identifiziert. Werner Domain ist sich sicher, dass sie genau diese seine Obstbäume fällen sollte, um ihn endlich zum Wegziehen zu bewegen. Wieder einen Tag später kam einer der Baggerfahrer von Vattenfall auf seinen Hof und gestand: Er sei leider schuld, dass die Bäume gefällt wurden, er hätte den Arbeitern vor Ort Anweisungen geben sollen – dies aber aus Versehen unterlassen. Schließlich äußerte auch noch ein Vattenfall-Sprecher in der Bild-Zeitung sein Bedauern über die „falsche Einschätzung des Subunternehmers“. Das klang schon wie blanker Hohn.