„Wir sind eine Bauchbewegung“

Der Sozialabbau in Deutschland hat mit Aufrüstung und dem Verschwenden von Geldern für Waffen zu tun, sagt Jürgen Horn von der Berliner Friedenskoordination (Friko) und ruft zur Teilnahme am Ostermarsch am Brandenburger Tor auf

taz: Herr Horn, kommen überhaupt noch junge Leute zu den Ostermärschen?

Jürgen Horn: Auf jeden Fall. Je mehr sich die internationale Situation zuspitzt, desto mehr müssen wir auf die Straße gehen und sagen: Wir wollen Frieden.

Das machen sie aber nicht. Zumindest nicht an Ostern.

Man kann die Zahlen der Ostermärsche in den letzten beiden Jahren nicht isoliert von den großen Antikriegs- und Sozialprotesten betrachten. Damals hatten zwei Wochen vorher Demonstrationen mit 20.000 bis 30.000 TeilnehmerInnen gegeben. Danach war wohl die Luft raus.

Aber warum gerade am Ostermontag?

Die Friedensbewegung ist in hohem Maße eine Bauchbewegung. Wenn die Leute unmittelbar eine hohe Bedrohung empfinden, gehen sie sofort auf die Straße. Das war Anfang 2003 während des Irakkriegs so. Als dann die Ostermärsche anstanden, sagten sich die AktivistInnen: Nicht schon wieder eine Demo. 2004 gab es dann die großen Proteste gegen Sozialabbau. Wir beschlossen, lieber eine Kulturveranstaltung zu organisieren. Deswegen waren vergangenes Jahr auch nicht Zehntausende auf der Straße.

Aber wie wollen Sie wieder an die Hochphasen anknüpfen, als Hunderttausende am Ostermontag für den Frieden demonstrierten?

Anfang der 80er waren wir viele, weil sich auch zahlreiche soziale Initiativen viel stärker beteiligt hatten. Wir müssen wieder deutlicher zeigen, dass soziale Frage und Frieden untrennbar sind. Ein Ansatz dabei ist, dass wir in diesem Jahr den Ostermarsch zusammen mit dem Berliner Sozialbündnis organisieren.

Irakkrieg und Hartz IV – wie passt das zusammen?

Der Sozialabbau in Deutschland hat zu tun mit dem Verschwenden von Geldern für Waffen. Und wem fehlt dann dieses Geld? Dem sozialen Bereich.

Ist dieses Themengemenge noch zu vermitteln?

Das genau ist das Problem. Ganz viele kleine Konflikte werden in für sich stehende Einzelfragen aufgesplittet. Wir versuchen darauf hinzuweisen, dass all diese Teilkonflikte Varianten eines Gesamtproblems sind, und müssen dafür sorgen, dass die Protestbewegungen noch viel stärker an einem Strang ziehen.

Wird es in den nächsten Jahren noch Ostermärsche geben?

Das kann ich nicht sagen. Ich persönlich hoffe, dass es keine mehr gibt, weil der Anlass fehlt. Solange die Kriegsbedrohungexistiert, solange werden wir marschieren.

INTERVIEW: FELIX LEE