Hoffen auf Hartz IV

Friedensbewegung geht über Ostern in Berlin und Brandenburg wieder auf die Straße. Schwerpunkt: Rüstungsexporte und Sozialabbau. Abgeordnetenhaus spricht sich gegen das Bombodrom aus

von FELIX LEE

Wie häufig schon wurde das Ende der Ostermärsche vorausgesagt? Aber offenbar leben Totgesagte wirklich länger. Und so will die Berliner und Brandenburger Friedensbewegung auch an diesem Osterwochenende wieder auf die Straße gehen, um gegen Krieg, Terror und die Waffenindustrie zu demonstrieren.

Und doch soll nicht alles so bleiben, wie es in den vergangenen Jahren immer war. Auf einer Pressekonferenz der Berliner Friedenskoordination (Friko) kündigten die Veranstalter an, dass ein Schwerpunkt des traditionellen Marschs auf den Protest gegen Sozialabbau gelegt werde. Mit ins Boot hat sich die Friko daher das Berliner Sozialbündnis geholt, das sich in den vergangenen Monaten vor allem als Veranstalter der Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV einen Namen gemacht hat. „Abrüstung statt Sozialabbau“ und „für eine gerechte Welt ohne Hunger und Armut“ heißt es in dem gemeinsamen Aufruf beider Bündnisse. Etwas verschwurbelt ist auch die Rede vom „Widerstand gegen Versuche, die Welt den Verwertungsinteressen global operierender Kapitalgesellschaften zu unterwerfen“.

Die Veranstalter rechnen für den Berliner Friedensmarsch mit mindestens 3.000 TeilnehmerInnen – eine gewagte Zahl. Vor einem Jahr waren es nicht einmal 1.000. Und auch das Berliner Sozialbündnis trumpft momentan nicht gerade mit Massenzulauf. Die letzte Montagsdemo Anfang März zählte gerade einmal 80 TeilnehmerInnen.

Zahlenmäßig höher wird mit großer Wahrscheinlichkeit der Protestzug am Ostersonntag in der Kyritz-Ruppiner Heide in Brandenburg ausfallen. Dort ruft die Bürgerinitiative „Freie Heide“ zum Ostermarsch gegen das so genannte Bombodrom auf. Das Bundesverteidigungsministerium plant auf dem früher von sowjetischen Truppen genutzten Gelände einen Bombenabwurfplatz mit jährlich 8.500 Tiefflügen. Bisher konnten die Gegner die Umsetzung der Pläne mit juristischen Mitteln verhindern. Am letzten Donnerstag mussten die Gegner vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig jedoch eine Niederlage einstecken. Im Rechtsstreit um das Eigentum an Wegen wiesen die Richter ein Revisionsbegehren von Anliegergemeinden zurück.

Umso mehr setzt die Bürgerinitiative auf Protest. Vor einem Jahr kamen zum Ostermarsch gegen die Pläne der Bundeswehr 8.000 TeilnehmerInnen – es war bundesweit der größte Marsch seit langem. Und entgegen dem deutschlandweiten Trend beteiligen sich daran immer mehr Menschen. Dieses Mal erhalten die Bombodrom-Gegner prominente Unterstützung nicht nur vom Theologen Friedrich Schorlemmer und dem Potsdamer Staatskanzleichef Clemens Appel (SPD). Auch der als Tatort-Kommissar Bruno Ehrlicher bekannte Schauspieler Peter Sodann will mitmarschieren. Gestern hat sich zudem das Berliner Abgeordnetenhaus mit den Stimmen von SPD, PDS und Grünen gegen den Ausbau ausgesprochen. Sie haben sich damit ihren Kollegen in den Landtagen Potsdam und Schwerin angeschlossen, die bereits vor einigen Monaten ähnliche Beschlüsse gefasst hatten.

Ostermärsche gibt es bereits über 45 Jahre. Sie haben ihren Ursprung in Großbritannien. Dort gab es in den 50er-Jahren eine überparteiliche Kampagne für atomare Abrüstung. In Deutschland gingen erstmals 1960 Menschen an Ostern auf die Straße, damals vor allem religiös motivierte PazifistInnen.

Ihren Höhepunkt erreichte die Ostermarschbewegung in den 80er-Jahren, als hunderttausende gegen den Nato-Doppelbeschluss protestierten. Nach dem Ende des Kalten Kriegs ließ die Resonanz nach; auch während des Irakkriegs vor zwei Jahren kam es nur zu einer leichten Wiederbelebung. Hartz IV könnte eine Wende einleiten – das hoffen zumindest die Berliner Veranstalter.