Hoyzer des Nordens

Steckt die dänische Wettmafia hinter dem Kieler SPD-Verrat? Ein Skandal-Report

Bei Kaffee und Kirschplunder wurden die Details des Deals mit der Dänen-Mafia festgelegt

Lars-Henning Olsen verspeist genüsslich seinen Kronsild mit Graubrot und spült mit 50-prozentigem Jubiläums-Aquavit nach. Der 36-jährige Gebrauchtfischhändler aus dem dänischen Hokkerup hat gut lachen: Seit ein paar Tagen ist der aus bescheidenen Verhältnissen stammende Hobbyzocker Euro-Millionär. Zu verdanken hat er den unverhofften Geldsegen seiner genauen Vorhersage des Abstimmungsergebnisses bei der Wahl zum schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten. Lars-Henning Olsen hatte dabei ein goldenes Händchen: Bei dem auf Wahlwetten spezialisierten britischen Wettanbieter Oddvote setzte er seine gesamten Ersparnisse in Höhe von 39.800 Euro auf ein Patt von 34:34 Stimmen und erzielte eine sagenhafte Quote von 34:1. Mit dem Gewinn will der bescheiden wirkende Familienvater zunächst Kiel besuchen, dann eine Weltreise machen und schließlich einen Fischimbiss in seiner Heimatstadt eröffnen.

Was nördlich der Grenze bei Gewinner Olsen für eitel Sonnenschein sorgte, führte in Kiel zu Heulen und Zähneklappern und einer wild brodelnden Gerüchteküche: Wer war der hinterhältige Enthalter – und in wessen Auftrag handelte er? War die Demütigung der Heide Simonis in vier gescheiterten Wiederwahlanläufen Wahnsinnstat eines Amok laufenden Sozialdemokraten oder ein von vornherein abgekartetes Spiel des organisierten Verbrechens? Wurde die verdiente Ministerpräsidentin Opfer einer nur auf den eigenen Gewinn bedachten dänischen Wettmafia? Vieles an den unwürdigen Vorgängen spricht für Wettbetrug mit System, sind sich Insider sicher. Die berüchtigte dänische Viererwette basiert nämlich auf exakt vier Vorhersagen und gilt in dem sympathischen Land zwischen Kopenhagen und Aabenraa, zwischen Ebbe und Sand als schwierigste Wettkombination – die jedoch auch äußerst attraktive Gewinne verspricht. Verdächtige Parallelen also zum Kieler Wahlkrimi, denen auch die Staatsanwaltschaft Kiel nachging.

Sofort nach dem überraschenden Wahlausgang aufgekommene Gerüchte, die Dänenmafia habe einen SPD-Abgeordneten gekauft und mit dessen vierfacher Stimmenthaltung die Wahl eines deutschen Ministerpräsidenten zu einer dänischen Viererwette umfunktioniert, weist Glückspilz Olsen entrüstet von sich. „So was hab ich nicht nötig, ich hatte das Ergebnis einfach im Urin.“ Dies mag für ihn so stimmen, aber vieles spricht dafür, dass Olsen nur die Spitze des Esbjergs ist.

Erste Untersuchungen des Kieler Instituts für Wettwirtschaft legen den Verdacht nahe, dass Dunkelmänner aus dem Dunstkreis des Odenser „Café Küng“ weltweit immense Summen auf Patt setzten und nach Eintreten des gewünschten Ergebnisses astronomisch hohe Gewinne kassierten. Was den deutschen Staatsanwalt besonders interessiert: Ohne einen willfährigen Helfer in den Reihen der Regierungskoalition wäre der „Coup Denmark“ nie möglich gewesen.

Hauptverdächtiger ist der SPD-Hinterbänkler Jens Bröde, der gestern um 10.40 Uhr in seinem Kieler Reihenhaus verhaftet wurde. Der „Hoyzer des Nordens“, wie der unscheinbar wirkende Vorsitzende des Arbeitskreises für Mittelstandsförderung mittlerweile fraktionsintern genannt wird, soll sich vor der Abstimmung mit dänischen Großwettern getroffen haben.

Wie aus gut unterrichteten Kreisen verlautet, seien bei Kaffee und Kirschplunder die Details des Deals festgelegt worden: 4.000 Dänenkronen und eine Prachtausgabe von Andersens Märchen für die Stimmenthaltung. Ein Kommentar zu seinen Machenschaften war dem hinterhältigen Märchenliebhaber auf dem Weg zum Untersuchungsrichter allerdings nicht zu entlocken.

Es ist nicht das erste Mal, dass das so friedlich wirkende Land zwischen den Meeren von einem handfesten Politkrimi durchgeschüttelt wird: Die dramatischen Ereignisse um die gescheiterte Wiederwahl von Heide Simonis werfen auch ein ganz neues Licht auf eine längst vergangene Tragödie der schleswig-holsteinischen Landespolitik – den Tod des früheren Ministerpräsidenten Uwe Barschel in der Badewanne eines Genfer Luxushotels, der Anlass für vielerlei Spekulationen bot, aber nie ganz geklärt werden konnte. War der CDU-Politiker etwa damals schon das erste Opfer der Dänenmafia? Wusste er zu viel über verschobene Landtagswahlen und musste deshalb zum Schweigen gebracht werden? Makabre Parallele: In Jens Brödes Unterlagen fand sich bei seiner Verhaftung ein Flugticket nach Genf und eine Reservierung für das gleiche Hotel, in dem Uwe Barschel seinerzeit in den ewigen Wellnessbereich einging: das „Beau Rivage“. RÜDIGER KIND