american pie
: Auf Big Mac wartet der Grill

Warum der US-Sport seine bislang allzu laschen Antidoping-Regularien reformieren muss

Es könnte zu einer schönen Tradition werden, das Barbecue auf dem Washingtoner Capitol Hill, bei dem ein überdimensionaler Bic Mac gegrillt wird. Die US-Profiliga MLB hat sich derzeit für ihre mehr als laxe Antidoping-Politik zu verantworten – auch der ehemalige Baseball-Star Mark McGwire, Spitzname: Big Mac. In seinen besten Zeiten war er ein schlagfertiger Bursche, doch vor dem Ausschuss des Repräsentantenhauses verschlug es ihm zuletzt die Sprache. Mark McGwire wollte nicht zugeben, dass er Steroide genommen hatte, damals, in seiner Karriere als Profi, damit er die Bälle mit noch mehr Schmackes in den Himmel dreschen konnte.

Gemeinsam mit Sammy Sosa jagte er 1998 den Homerun-Rekord der Major League Baseball. Aber es ging wohl nicht mit rechten Mittel zu. Sosa hat in einer Vernehmung zugegeben, Steroide, also Mittel zur Muskelmast, genommen zu haben. In der Öffentlichkeit verfolgen die Betroffenen jedoch eine andere Strategie: Sie schweigen, sie verharmlosen oder sie streiten ihre Pharma-Kur ab. McGwire sagt, er wolle sich nicht über die Vergangenheit äußern. Vor dem Ausschuss beteuerte er: „I’am here to be positive.“

Doch die Dämme sind längst gebrochen. Der Strom der Steroidenthüllungen fließt und ergießt sich übers Land. Es lässt sich nicht mehr vertuschen, dass Baseball, ja, der gesamte US-Profisport ein gravierendes Dopingproblem hat. Zu lange haben die Ligen ein Auge zugedrückt, wenn es darum ging, die Profis auf unerlaubte Substanzen zu testen. Vielleicht hätte die Strategie der Verdrängung noch ein paar Jährchen funktioniert, hätte es nicht die Ermittlungen im Balco-Fall um das Designersteroid THG gegeben, in den auch der ein oder andere Baseball-Spieler verwickelt war: Barry Bonds etwa. Und wahrscheinlich hätte auch niemand einen Grund zum Handeln gesehen, wenn es nicht zur Veröffentlichung des Enthüllungsbuchs „Juiced“ des ehemaligen Profis Jose Canseco gekommen wäre. Canseco geht davon aus, dass 80 Prozent seiner Branche panscht. Canseco nennt sogar Namen. Mark McGwire ist darunter.

Weil die Major League Baseball offenbar unfähig ist, die Reform selbst voranzutreiben, hat sich die Politik eingemischt – sehr zum Missfallen der MLB, die eilig verbreiten ließ, dies sei ein Missbrauch politischer Macht. Doch es wird höchste Zeit, dass sich die Politik des Problems annimmt. Davon sind mittlerweile auch 46 Prozent der Baseball-Fans überzeugt, wie eine Umfrage von USA Today ergab; fast jeder neunte Anhänger glaubt inzwischen, Baseball habe ein ernsthaftes Dopingproblem.

Wie wahr: Die Antidoping-Politik der Profiligen ist meilenweit von internationalen Standards entfernt. Der Unterschied ist so eklatant, dass es wohl Jahre dauern wird, bis es überhaupt denkbar ist, dass die Profiligen den Code der Welt-Antidoping-Agentur (Wada) unterzeichnen. Der formuliert strenge Regeln für den olympischen Sport. Die Liste der verbotenen Substanzen ist umfangreich; Ersttäter werden mit einer Sperre von zwei Jahren belegt.

Das Hearing von Washington kann nur ein erster kleiner Schritt gewesen sein. So sieht es auch der Vorsitzende des Komitees, der Abgeordnete Tom Davis: „Die Wahrheit muss ans Licht, wie hässlich sie auch sein mag. Nicht nur auf die MLB wird unser Augenmerk gerichtet sein. Wir sind erst im ersten Inning eines Spiels, das sehr lange dauern kann“, kündigte er an. Der republikanische Senator John McCain fordert derweil ein Gesetz, das dem Profisport Mindeststandards in der Dopingbekämpfung auferlegt. Er schlägt der MLB vor, mit der nationalen Antidoping-Agentur (Usada) zusammenzuarbeiten.

Bisher hatte ein Freund von Steroiden nicht viel zu befürchten. Wurde er erstmals erwischt, kam er mit einer Verwarnung davon. Wiederholungstäter konnten sich von einer Sperre freikaufen. Nun liegt ein neuer Strafenkatalog auf dem Tisch. Auch Ersttäter sollen bestraft werden (zehn Tage Sperre), und das Recht des Freikaufs per Bußgeld soll wegfallen. Amphetamine, Epo und Wachstumshormone können freilich weiterhin bedenkenlos eingenommen werden. Die Spielergewerkschaft hat den Kontrakt noch nicht unterzeichnet. Es werden in der Tat noch viele Innings gespielt werden müssen in diesem Match.

JOS VAN DINTER