Auch Skandinavier halten die Hand auf

Schweden, Dänemark, Finnland – bis zu 5.000 Euro wollen die Nordländer von nichteuropäischen Studis verlangen

STOCKHOLM taz ■ Die große skandinavische Studiengebührenfreiheit könnte bald ein Auslaufmodell sein. Schwedens Regierung bereitet die Einführung von Studiengebühren für bestimmte StudentInnengruppen vor. In Dänemark soll es Mitte 2006 losgehen. Fraglich ist hier nur noch die Höhe der Abgaben. In Finnland wird eine Regelung geprüft. Allein Norwegen bekennt sich bislang noch zum Prinzip des Gratisstudiums für In- wie AusländerInnen.

In allen Ländern begannen die Befürworter die Debatte über Studiengebühren mit Blick auf den überproportionalen Zuzug von StudentInnen aus China und Indien. Das treibe die Kosten für die Hochschulen in die Höhe. Gebührenfans werfen den Unis vor, gezielt solche StudentInnen anzuwerben, um die Staatszuschüsse zu steigern. Dänemarks Wissenschaftsministerin Helge Sander will gehört haben, „dass Ausbildungen mit schlecht qualifizierten ausländischen Studenten gefüllt wurden, um Taxameter-Gelder zu bekommen“. Dänische Hochschulen arbeiten nach einem „Kopfgeld-System“, das die Höhe des Budgets von der Studierendenzahl abhängig macht. Das Kopfgeld-System möchte die Ministerin aber nicht in Frage stellen. Daher will sie „eine Benutzerbezahlung einführen und im Gegenzug den Bestqualifizierten Stipendien geben“.

Der Verdacht gezielter Diskriminierung soll aber nicht aufkommen. Daher will man in Dänemark und Schweden die Studiengebühren nicht auf einige offenbar speziell „verdächtige“ asiatische und afrikanische Staaten beschränken. Bezahlen sollen generell alle nichteuropäischen Studierenden – also auch US-Amerikaner. Die Studiengebühren sollen sich am Prinzip „voller Kostendeckung“ (Sander) orientieren. Was bei technischen Ausbildungen zu Preisschildern von über 5.000 Euro pro Semester führen könnte.

„Das Problem damit ist nur, dass wir damit auf ein Niveau kämen, das der Markt vielleicht nicht hergibt“, befürchtet Susanne Bjerregaard, Direktorin des dänischen „Rektorskollegiet“. Die Interessenorganisation dänischer Universitäten hält das Bezahlstudium für grundsätzlich vertretbar – sieht aber die von der Regierung gewählte Art als problematisch an. Bjerregaard nennt das Modell „seltsam euro-zentriert“ – denn man halte die Türen für deutsche und französische Studierende gratis offen, verlange aber von den Amerikanern Eintrittsgeld.

Eliten aus der Dritten Welt

In Finnland hat die Internationalisierung die Studiengebührenreform ins Stocken gebracht. Gustav Björkstrand, Rektor der Akademie Turku, Mitglied einer Kommission, die für die Regierung an einem Vorschlag arbeitet: „Die kritische Frage, die wir uns stellen, ist, wie das mit unseren Anstrengungen nach verstärkt globalisierten internationalen Ausbildungsmöglichkeiten in Übereinstimmung steht.“ Im Hinblick „auf das Demokratie- und Solidaritätsdenken, für das die nordischen Länder bekannt waren“, müsse man sich fragen, ob man wirklich nur noch die betuchten Eliten der Dritten Welt fördern wolle.

Auch wenn beispielsweise Stockholm die angestrebte Studiengebührenregelung in ein Gesetzespaket packen will, in dem gleichzeitig die grundsätzliche Gebührenfreiheit an schwedischen Hochschulen verbrieft wird – die Studentenschaften in allen Ländern protestieren. Ignacio Vita, Vorsitzender der schwedischen Studentenschaft „Sveriges Förenade Studentkårer“ (SFS), sagt zu dem beabsichtigten Bruch des alten Prinzips des kostenfreien Studiums: „Es ist nur eine Zeitfrage, bis das alle Studenten trifft.“ In dem Bericht „Studiengebühren in Schweden“ wirft SFS den Regierungen vor, das nordische Privilegium nur wegen der Gebührendebatte in anderen europäischen Ländern aufheben zu wollen.

Der schwedische Bildungsminister Thomas Östros sieht das ganz anders. „Wir können nicht den Ausbildungsbedarf der ganzen Welt mit schwedischen Steuermitteln finanzieren. Aber auf europäischem Niveau können wir die Türen weiterhin offen halten.“ Der Bildungsminister verspricht: „Abgaben für schwedische Studenten würden zu steigender sozialer Ungleichheit führen. Und was das angeht, stehe ich auf der gleichen Seite der Barrikade wie die Studentenschaft.“ REINHARD WOLFF