Billig, billiger, Metro

Der Handelskonzern macht Gewinne mit Discountern. Doch seine Billigkultur schädigt langfristig unsere Volkswirtschaft

VON KATHARINA KOUFEN

Wer hierzulande als Unternehmer in diesen Tagen Geld machen will, muss sich auf zwei Stärken der Deutschen besinnen: Sie sparen gerne, und sie waren schon immer groß darin, ihre Waren im Ausland zu verscherbeln – Stichwort „Exportweltmeister“. So auch die Metro AG. Der drittgrößte Handelskonzern der Welt legte gestern am Stammsitz in Düsseldorf eine Bilanz für 2004 vor, aus der genau das deutlich wird: Drücke die Preise, expandiere im Ausland – und das Geld klingelt in der Kasse.

Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen stieg im vergangenen Jahr auf 1,81 Milliarden Euro – das sind 14 Prozent mehr als 2003. Die Hälfte des Umsatzes wurde im Ausland erwirtschaftet. Besonders das Osteuropa-Geschäft boomte: In seinen Media-Markt-, Saturn- und Cash-&-Carry-Filialen verkaufte der Konzern Waren im Wert von fast 10 Milliarden Euro, mehr als 16 Prozent mehr als im Vorjahr. Aber auch in Asien nimmt die Metro-Dichte zu. „Vor allem in China, Russland und Indien werden wir die bestehenden Vertriebsnetze ausbauen“, kündigte Metro-Chef Hans-Joachim Körber an.

Auch in Deutschland steigt die Metro-Präsenz. Die Elektromärkte Saturn und Media Markt sowie der Baumarkt Praktiker expandierten 2004 kräftig. Der „preisaggressive Marktauftritt“, wie Körber deren Werbeslogans „geiz ist geil“ und „lasst euch nicht verarschen“ umschreibt, hat sich gelohnt, ebenso wie die „alles 20 Prozent billiger“-Wochen bei Praktiker. Anders als in den Supermärkten real und extra, die mit ihren Lebensmitteln im harten Preiskampf mit Aldi & Co. liegen, lässt sich mit Billig-Schlagbohrern und DVD-Schnäppchen immer noch gutes Geld verdienen.

„Die Strategie von Saturn und Media Markt trifft genau den Nerv der Konsumenten“, sagt Ulrich Eggert, Marktforscher bei der BBE-Unternehmensberatung. Erstens seien die Deutschen ohnehin zum Sparen erzogen worden. Zwei Weltkriege und der Verlust oft des gesamten Vermögens hätten diese Mentalität begünstigt. Zweitens: Die Verkaufsflächen sind schon längst viel zu groß. „Auf jeden Deutschen kommen 1,4 Quadratmeter Fach- oder Supermarkt. In Großbritannien ist es die Hälfte“, so Eggert. Das erhöht den Druck, möglichst billig zu verkaufen – der Käufer hat ja jede Menge Auswahl. Und drittens heize die aktuelle wirtschaftliche Gesamtstimmung nicht gerade die Konsumlust an. Wenn die Einkommen nicht steigen und Eigenvorsorge fürs Alter gepredigt wird, halten die meisten Menschen ihr Geld lieber zusammen.

„Geiz macht reich“, könnten die Unternehmen also für sich selbst resümieren. Und auch für den Heimwerker im Baumarkt oder die Familie beim samstäglichen Großeinkauf trifft dies irgendwie zu – immerhin wird Geld gespart, dem Geiz sei dank. Und ob es nun kurzsichtig ist, die Billigkamera bei Media Markt zu kaufen statt das Markenprodukt im Fachgeschäft, bleibt umstritten. Die einen schwören auf die bessere Beratung und den besseren Service, die anderen argumentieren, einen kaputten Fotoapparat repariere doch heute sowieso keiner mehr.

„Auf die Dauer macht Geiz uns arm“, sagt dagegen Ulrich Eggert. Wolfgang Twardawa, Marketingleiter der Gesellschaft für Konsumforschung, spricht langfristig sogar von einem „Rieseneigentor für die Gesamtsituation in Deutschland“. Nichts anderes sei der Saturn-Slogan. „Alle werden dauerhaft zu Schnäppchenjägern erzogen, und irgendwann ist keiner mehr bereit, den Normalpreis zu bezahlen“, prophezeit der Konsumforscher.

Für die Unternehmen lohnen sich Sonderangebote aber nur, wenn dadurch mehr verkauft wird. Das ist jedoch immer nur kurzfristig der Fall, „das Promotion-Schwert wird irgendwann stumpf“, so Twardawa. Spätestens wenn die Konkurrenz nachzieht und ebenfalls die Preise senkt, ist die Wirkung dahin.

So steigt der Druck auf die Unternehmen, sie umgehen Tariflöhne, streichen Stellen, schließen Filialen. Die selben Menschen, die eben noch als Konsumenten im Preisrausch bei Media Markt shoppten, stehen plötzlich ohne Job auf der Straße – arm durch Geiz.