Eingebaute Vorfahrt

Senat will Verkehrsfluss mit neuen Ampelschaltungen beschleunigen. Intelligent sind sie nur fürs Auto. BUND bezweifelt Umweltentlastung

Radler und Fußgänger werden sich ans Tasten und Warten gewöhnen müssen

von Gernot Knödler

Der CDU-Senat ist nicht zuletzt wegen der von der Springerpresse gebetsmühlenhaft wiederholten Behauptung gewählt worden, ganz Hamburg stehe im Stau. Zahlen, mit denen der frühere SPD-Bausenator Eugen Wagner belegte, dass die Durchschnittsgeschwindigkeit auf Hamburgs Straßen höher liegt als in vielen anderen Metropolen, interessierten nicht. Damit der Autoverkehr noch besser flutscht, will Stadtentwicklungssenator Michael Freytag (CDU) die Ampeln intelligenter schalten. Ein Modellversuch in Barmbek war aus seiner Sicht erfolgreich und soll jetzt auf andere Kreuzungen übertragen werden. Das Konzept geht allerdings zulasten von Fußgängern und Radfahrern, die künftig länger warten müssen, befürchtet der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC). Der Umweltverband BUND prognostiziert, dass neue Ampelschaltungen die hohe Schadstoffbelastung der Luft nicht entscheidend verringern werden.

In einem 1.000-Meter-Kreis um die Kreuzung Bramfelder Straße/Habichtstraße hatte der Senat im vergangenen Jahr 13 Ampeln an einen Verkehrsrechner angeschlossen. Induktionsschleifen zählen die heranfahrenden Autos, der Computer errechnet daraus das günstigste Grünphasenmuster. Der Effekt: „Weniger Rückstau, zehn Prozent Steigerung der durchschnittlichen Geschwindigkeit und dadurch eine jährliche volkswirtschaftliche Ersparnis von 1,5 Millionen Euro“, rechnete der Senator vor. 560.000 Liter Sprit würden gespart und 1.500 Tonnen des Treibhausgases CO2 []weniger in die Atmosphäre geblasen.

Freytags frohe Botschaft wirkt fragwürdig, wirft man, wie der BUND, einen Blick auf die Daten des Luftmessnetzes. Sie zeigen zumindest für Stickstoffdioxid keine wesentliche Veränderung: 2002 wurden im Jahresmittel 59 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft gemessen, im Jahr darauf 69 Mikrogramm und im vergangenen Jahr 64 Mikrogramm. Die „verkehrsadaptive“ Ampelsteuerung“ wurde im zweiten Halbjahr 2004 installiert.

Stickstoffdioxid ist an der Bildung von Sommersmog beteiligt, reizt die Atemwege und macht gegenüber Infektionen empfindlicher. Aufgrund einer Vorgabe der EU sollen die entsprechenden Emissionsgrenzwerte deshalb bis 2010 auf 40 Mikrogramm sinken, 2004 waren es noch 52 Milligramm.

Derzeit müsse wegen der Überschreitungen, wie sie auch an Max-Brauer-Allee, Kieler Straße und Stresemannstraße festgestellt wurden, bloß ein Luftreinhalteplan aufgestellt werden, warnt der BUND. Sollten 2010 immer noch zu hohe Werte vorliegen, drohten Klagen von Anwohnern. „Die Behörde muss ihr Maßnahmenpaket dringend überarbeiten und wirkungsvollere Instrumente einsetzen“, schlussfolgert Manfred Braasch vom BUND: „Es darf kein Tabu mehr bei Verkehrsbeschränkungen für PKW und LKW mit hohem Schadstoffausstoß geben.“

Wie Stefan Warda vom ADFC befürchtet, könnte die neue Ampelsteuerung den Schadstoffausstoß sogar in die Höhe treiben, indem sie Radfahrer zum Umsteigen auf das Auto verleitet. Denn die Ampelsteuerung passt sich nur an den Autoverkehr automatisch an. „Radler und Fußgänger werden sich nach dem Willen des Bausenators ans Tasten und Warten gewöhnen müssen“, sagt Warda.

Die Behörde lasse alle Ampeln mit Tastern ausstatten, die bei Bedarf scharf gemacht würden. Im Versuchsgebiet hätten sich viele Radler und Fußgänger irritiert gezeigt, weil sie nicht wussten, welche Taster nun bedient werden mussten und welche nicht. Viele Taster seien vom Radweg aus nicht erreichbar. Es sei zu befürchten, dass vom Warten entnervte Radler und Fußgänger die Ampeln ignorierten. Der Radlerverband fordert Induktionsschleifen in Radwegen und getrennte Ampeln für Radfahrer und Fußgänger.