Kiffer werden immer jünger

Das Einstiegsalter für den ersten Joint ist inzwischen auf 14 Jahre gesunken. Suchtberater warnen vor Verharmlosung

Bremen taz ■ Die Tendenz ist gefährlich: „Die Kiffer werden immer jünger“, beobachtet Rolf Günther. Zwar sei es nach wie vor sehr selten, dass schon neunjährige Grundschüler Haschisch oder Marihuana konsumierten, sagt der Leiter der Suchtprävention am Landesinstitut für Schule. Doch sinke das Einstiegsalter. Durchschnittlich 14 Jahre alt sind Jugendliche heute, wenn sie zum ersten Mal einen Joint rauchen – Tendenz abnehmend. Das hat kürzlich eine Studie aus Schleswig-Holstein herausgefunden.

Zwar sollten weder Eltern noch Lehrer „in Panik verfallen“, wenn ihre Kinder mal an einem Joint ziehen. Bei fast zwei Drittel aller Kids bleibe es schließlich ein Versuch, sagt Günther. Doch etwa zehn Prozent kifften jahrelang und regelmäßig. „In der Pubertät ist das besonders gefährlich“, warnt Günther eindringlich. Teenager, die regelmäßig kiffen, würden antriebsschwach, Motivation und Gedächtnisleistungen lassen nach – an der Aufnahmefähigkeit der Kids hapere es entsprechend. Selbst die Gefahr von Psychosen sei nicht von der Hand zu weisen. Das zumindest legen Versuche der beiden Bremer Hirnforscher Miriam Schneider und Michael Koch nahe, die im vergangenen Jahr mit Hilfe von Ratten den gesundheitlichen Schäden des Kiffens auf die Spur zu kommen suchten.

Gleichzeitig tritt Günther der Mär von der Einstiegsdroge Cannabis entgegen – und verweist statt dessen auf die legalen Drogen Alkohol und Nikotin. Wer das erste Mal an einer Zigarette ziehe, sei im Schnitt erst zwölf Jahre alt, jeder vierte Raucher zwischen 12 und 13 hat Erfahrungen mit Haschisch oder Gras vorzuweisen. Und bereits in der achten Klasse trinken 7,5 Prozent aller Jugendlichen „täglich oder mehrmals die Woche“ Alkohol. Bei einer Klasse mit 30 SchülerInnen seien das immerhin zwei Personen, rechnet Günther vor.

Sind die Jugendlichen ausgewachsen, sind auch die Folgeschäden des Cannabis nicht mehr so gravierend, fanden die Bremer Wissenschaftler heraus – der Körper regeneriert sich, hat man erst einmal aufgehört, Dope zu rauchen. Günther will deshalb die Kids dazu bringen, möglichst spät anzufangen. Und nicht zu Hause, nicht in der Schule zu kiffen – auch wenn das Problem dadurch nur verschoben wird. „Aber wir dürfen es den Jugendlichen nicht zu leicht machen“, sagt der Drogenexperte.

Den Eltern und Lehrern rät Günther, „aufmerksam zu sein“, aber „nicht zu spitzeln“. Es gehe nicht darum, „Detektiv zu spielen“ oder mit „Verhören“ nach eindeutigen Beweisen zu fahnden. Vorsicht sei jedoch geboten, wenn die Schüler die Schule schwänzen, schlechte Noten mit nach Hause bringen oder reges Interesse am Thema Drogen entwickeln. Dann müsse man auf jeden Fall das Gespräch suchen, so Günther – ohne gleich den konkreten Verdacht preis zu geben. „Bekiffte Schüler dürfen wir keinesfalls übersehen.“

Die Polizei hingegen sollte erst im Wiederholungsfalle eingeschaltet werden, rät Günther – die muss nämlich in jedem Fall Anzeige erstatten. Der Drogenberater hingegen steht unter absoluter Schweigepflicht, selbst die eigenen Eltern dürfen von den Inhalten der Beratungsgespräche oder sogar dem Kontakt nichts erfahren. Und genau das sei sein Vorteil, betont Günther: „Mir gegenüber können die Jugendliche ehrlich sein, weil sie keine Folgen fürchten müssen.“ Er wolle auch niemandem „die Droge ausreden“, erläutert Günther sein Konzept. Vielmehr gehe es ihm um die Frage: „Sind die Kids zufrieden in ihrem Leben?“ Wer regelmäßig kiffe, könne diese Frage nur verneinen.

Aus seinen täglichen Gesprächen zieht Günther eine durchweg positive Bilanz: Nur einer von hundert erweise sich als beratungsresistent. Und kaum einer muss ein zweites Mal bei ihm antreten. Jan Zier

Die Suchtprävention Bremen ist unter ☎ 0421/361-16050 zu erreichen.