berliner szenen Unterhose im Licht

Wunder im Waschsalon

Er kann sich nicht entscheiden: schaut hier in die Trommel, da in die Trommel, läuft weiter zur nächsten Maschine. Als würde es ihm ungeheure Mühe bereiten, so sucht der Mann im Waschsalon das passende Gerät aus unter den 16 Maschinen gleichen Typs. Ein beklemmendes Schauspiel. Schließlich legt er seinen Regenschirm auf einer der Maschinen ab. Davor platziert er seine riesige Plastiktragetasche.

Der Mann fischt ein Kleidungsstück aus der Plastiktasche, ein Unterhemd, und hält es gegen das Deckenlicht. Da er mir den Rücken zudreht, kann ich gut sehen, was er sieht, und er betrachtet in aller Ruhe und sorgfältig ein ursprünglich weißes Hemd. An dem Hemd klebt Kot. Er wendet es. Auch die Rückseite ist kotverschmiert. Ausgiebig studiert er das Unterhemd. Und steckt es in die Waschmaschine. Nun holt er eine ehemals weiße Unterhose aus der Tasche und hält sie gegen das Licht. Studiert den Kot im Schritt. Kehrt die Innenseite nach außen. Schaut. Und steckt die Unterhose in die Waschmaschine.

Ans Licht kommt eine weitere Unterhose. Auch diese ist mit Kot verschmiert. Der Mann begutachtet die Hose. Und geht zum Mülleimer. Die folgende Unterhose wird ebenfalls geprüft und gelangt zur Reinigung in die Maschine. Gemächlich und scheinbar ohne Scham arbeitet der Mann sich öffentlich durch seine Dreckswäsche.

Soll dies ein Notruf sein? Bin ich Zeugin einer obskuren Störung oder einer Leidenschaft, die ein Publikum braucht? Schließlich lagern in der Trommel ein Dutzend Unterhosen und das Unterhemd. Dann setzt der Mann die Waschmaschine in Gang, nimmt auf einem Sitz vis à vis der Trommel Platz und schaut hinein wie in einen Fernseher.

GUNDA SCHWANTJE