Zwei-Drittel-Stellen dringend gesucht

Anders als kinderlose Frauen schaffen es Mütter nur selten in Spitzenjobs. Ein Grund: Millionen Frauen arbeiten halbtags, obwohl sie lieber eine 30-Stunden-Stelle hätten. Experten raten auch: Bekommt eure Kinder doch schon mit Anfang zwanzig

VON COSIMA SCHMITT

Mütter sind die Loser im Karriererennen. Nur die junge, kinderlose Singlefrau schafft es ähnlich oft wie ihr Kollege auf einen gehobenen Posten. Nicht aber die Mutter. Teilzeitjobbend verbaut sie sich den Weg zum Aufstieg. Soweit die Fakten, die der am Dienstag veröffentliche Mikrozensus des Statistischen Bundesamts nennt. Nun aber diskutieren Experten, wie sie zu deuten sind. Sind die Mütter gar selbst schuld, weil ihnen das Miteinander mit dem Kind wichtiger ist als der Machtkampf im Büro?

Nein, meint die DGB-Genderexpertin Anne Jenter. „Die Frauen hindert das Dogma Halbzeitjob.“ Zwar wollten junge Mütter meist keinen Achtstundentag. Die derzeitige Berufswelt aber zwinge sie allzu oft in ein Zuviel oder Zuwenig: Sie müssen zwischen einer vollen oder einer halben Stelle wählen. Dabei möchten Mütter durchaus bis zu 30 Stunden pro Woche arbeiten, weiß die Expertin aus Studien. Eine „verkürzte Vollzeit“, nennt das Jenter – ein Pensum, das Mütter eher in die Chefsessel hievt als ein Acht-bis-zwölf-Job.

So aber schlagen sich hunderttausende Frauen unfreiwillig mit einem Halbtagspöstchen durch, ermittelte 2004 die Hans-Böckler-Stiftung: Jede dritte Teilzeitjobberin würde gern mehr arbeiten. Nur darf sie das nicht. Noch deutlicher klaffen Wunsch und Können im Osten der Republik. Jede zweite ostdeutsche Mutter mit Teilzeitjob wäre lieber ganztags im Büro, fanden die Mikrozensus-Befrager heraus.

Andere Experten raten, das Kind-oder-Karriere-Dilemma lebensplanerisch zu lösen. So diskutierten unlängst Demografen auf ihrer Jahrestagung in Potsdam, ob nicht die deutschen Frauen ihre Kinderpläne vorverlegen sollten. Wenn sie Mutter werden mit Anfang zwanzig – dann wäre pünktlich zum Karrierestart der Nachwuchs in der Pubertät.

Vorbild der Twen-Mum-Propagandisten ist das DDR-Modell. Dort bekam bekanntermaßen nicht nur fast jede Frau ein Kind – sie tat dies auch in sehr jungen Jahren. Heute aber wird frau im Schnitt erst mit 29 Jahren Mutter. Petra Beckmann vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg allerdings bezweifelt, dass dieser Trend umkehrbar ist. „Wir haben nun mal keine Rundumversorgung wie in der DDR, die junge Paare dazu ermutigt.“ Die Anfang-Zwanziger heute fänden ja oft nicht mal einen Ausbildungsplatz. „Oder sie schlagen sich mit Bafög durch. Und alle Studien zeigen, dass arme Kinder meist schlechter ins Leben starten.“ Selbst wenn das frühe Gebären mancher Karrierefrau helfen könnte – ihren Kindern würde das eher schaden.

Weniger umstritten ist das Konzept eines „Karrierestopps auf Zeit“. Die Idee: Die Frau unterbricht ihre Karriere für ein paar teilzeitdurchjobbte Babyjahre – und startet mit Vierzig richtig durch. Dem entgegen steht derzeit der Jugendwahn in der Personalpolitik. Auch sei, so Jenter, Firmen oft gar nicht daran gelegen, Frauen nach der Kinderphase wieder einzugliedern. „Sie betreiben versteckten Personalabbau. Kehrt die Frau aus der Elternzeit zurück, wird ihr gleich eine Abfindung angeboten – oder ein Job in einer fernen Stadt, den sie kaum annehmen kann.“

Ein Karrierehemmnis aber hat frau im eigenen Heim – ihren Mann. Der Mikrozensus zeigt: Schon eine Gattin ist weniger erfolgreich als eine Singlefrau, selbst wenn sie gar keine Kinder hat. „Weil er eben nicht ihre Blusen bügelt, sie aber seine Hemden“, begründet dies Elke Holst vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.

Gerade die deutschen Mütter stehen schlecht da, sagt die Forscherin. Schweden habe schon in den Siebzigern ein Umdenken eingeleitet. Seither definiere sich das skandinavische Land offensiv als „Elterngesellschaft“ – anders als die deutsche „Müttergesellschaft“, die das Vereinbaren von Job und Kind zuvorderst als Frauenproblem ansehe.

Die Folgen dieses tradierten Stereotyps sind selbst in der jungen Generation statistisch messbar: Männer arbeiten eher noch mehr, wenn sie Vater werden, fand unlängst die Studie „männer leben“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung heraus. Der Mann, der um des Babys willen beruflich kürzer tritt – er bleibt ein Exot in den deutschen Büros. Das bestätigen auch die Mikrozensus-Statistiker: Väter arbeiten zwölfmal seltener in Teilzeitstellen als Mutter. Und nur einen von vier Halbtagsvätern motivierte die Fürsorge fürs Kind. Die übrigen drei Viertel arbeiten Teilzeit, weil sie nicht anderes fanden, weil sie sich fortbilden oder weil sie zu krank für einen vollen Job sind.

Umso energischer fordern Experten wie Beckmann ein Umdenken. Will eine junge Mutter ihr Mehr an Haushaltspflichten bändigen, bleibe ihr nur eins: „Wir brauchen eine Teilzeitoffensive der Männer. Dann klappt’s auch mit der Frauenkarriere.“