Zurückhaltend im Hakama

Meister Asai vermittelt in Deutschland seit 40 Jahren die asiatische Kampfkunst Aikido. Trotz des martialisch anmutenden Auftritts stehen dabei friedliche Beweggründe im Vordergrund

AUS DÜSSELDORFROLAND LEROI

Wenn Katsuaki Asai im Hakama mit einem Jo oder dem Bokken hantiert, hört sich das ziemlich gefährlich an. „Das ist es aber nicht“, sagt der Japaner mit ruhiger Stimme. Der 63-Jährige macht dabei einen ausgeglichenen Eindruck – und das soll auch so sein. Denn der Mann, der sich von seinen Schülern nur Meister Asai rufen lässt, lehrt die Kampfkunst Aikido. „Es kommt nicht darauf an, einen Gegner möglichst schnell zu zerstören, sondern ihn zu neutralisieren“, erklärt er seine friedlichen Beweggründe.

Im Unterschied zu anderen Kampfsportarten wie Judo oder Karate werden beim Aikido mit verschärfter Wahrnehmungskraft vornehmlich aus der Defensive heraus Verteidigungstechniken geübt. „Energie und mentale Leistung stehen im Vordergrund“, sagt Meister Asai, der sich in gewisser Hinsicht als Missionar sieht. Schließlich war es Morihei Ueshiba, der Begründer des Aikido, der seinen Lehrling einst von Japan nach Deutschland schickte, um die Kampfkunst hierzulande populär zu machen.

40 Jahre ist das jetzt her. „Ich war ein junger Mensch und hätte nicht gedacht, dass ich mal ein professioneller Lehrer werde“, sagt Meister Asai, der damals eigentlich nur zweite Wahl war. „Morihei Ueshiba wollte einen anderen Schüler nach Deutschland schicken, der machte aber plötzlich in seiner Firma Karriere und ich wurde stattdessen ausgewählt“, erinnert sich der Japaner.

Schwer sei es zunächst gewesen, Menschen für Aikido zu begeistern. „Mit den Jahren wurde der Zuspruch aber größer. Während sein Lehrmeister 1969 verstarb, betreibt Asai mittlerweile in einem Düsseldorfer Hinterhof eine anerkannte Aikido-Schule, bei der durchschnittlich rund 200 Sportler Kurse belegen. „Es könnte mehr sein, aber ich bin nicht unzufrieden“, sagt er. Weit über 20.000 Aikidokas sind bundesweit in Vereinen organisiert. Im Juli, bei den World Games ist Aikido sogar als Einladungssportart vertreten. Meister Asai wird dann in Mülheim/Ruhr eine Auswahl seiner Künste zeigen.

Medaillenanwärter werden hier allerdings vergeblich gesucht, denn Aikido kommt ohne Wettkampf und Leistungsdenken aus. Es gibt keine Ligen oder Meisterschaften und auch kein festes Regelwerk. Die Sportler halten sich an traditionelle Etikette und verinnerlichen die Grundprinzipien ihrer Kunst: Achtsamkeit, Konzentration und den Umgang miteinander.

In der Praxis versucht ein Aikidoka daher die Angriffe seines Gegners, der eher den Stellenwert eines Partners hat, in die eigenen Bewegungen aufzunehmen. Hierbei gibt es unzählige Techniken. So ist es ein Ziel, die Handgelenke des Partners zu greifen, um dessen Angriff verpuffen zu lassen. Um Handgelenke und Grifffläche zu verlängern, wird oft mit dem so genannten “Jo“ (japanisch: Stock), dem „Bokken (Holzschwert) oder dem „Tanto“ (Messer) trainiert. Wer die Prüfung zum 1. Dan abgelegt hat, darf die Übungen im Hakama, einem Faltenrock, absolvieren. Meister Asai hat längst den siebten Dan als höchste Stufe erreicht.

Wie viele Techniken es gibt, vermag selbst Meister Asai nicht zu sagen. „Jeder Mensch greift individuell an, man muss sich ständig neu einstellen“, erklärt der 63-Jährige, der daraus schließt, dass seine Mission noch lange nicht beendet ist: „Ein Aikidoka lernt nie aus, keiner ist perfekt.“

Wichtig sei eben eine geschulte Wahrnehmungskraft, die das Erkennen von Situationen schafft. Meister Asai weiß die „Nebeneffekte“ zu schätzen, denn Aikido dient auch zum Abbau von Aggressionen. Alter oder die Körpergröße seien in dieser Hinsicht absolut sekundär, weil die Athleten darin unterrichtet werden, ihre gesamte Energie so einzusetzen, dass sie auch gegen kräftigere Partner bestehen können. Deshalb glaubt Meister Asai, dass er seine Kunst noch einige Jahre vermitteln kann. Reif für die Rente fühlt er sich noch lange nicht. Außerdem müsse er ja noch seinen Nachfolger, der dann quasi Oberlehrer der deutschen Aikido-Gemeinde wird, bestimmen. „Momentan sehe ich keinen, der in diese Rolle schlüpfen kann“, meint er. Seine Mission sei eben noch nicht beendet.