Finanzsenator streitet mit Rechnungshof

In der Exekutive ist es Aufgabe des Finanzsenators, die Kassenlage des Landes darzustellen und zu bewerten. Sein schärfster Kritiker ist inzwischen der Rechnungshof, eine Institution der Legislative: Der Senat manipuliere und verschleiere die Lage

bremen taz ■ Seit Jahren schon schwelt ein Konflikt zwischen dem Bremer Rechnungshof – einer Kontrollinstitution des Parlamentes – und dem Finanzressort, es geht um die Bewertung der Bremer Sanierungspolitik. In den letzten Wochen ist dieser Konflikt offen ausgebrochen. In den internen Stellungnahmen fallend deutliche Worte: Mal fand der Finanzsenator Anfang März die Kritik des Rechnungshofes „unzureichend“, mal „kaum hilfreich“ oder schlicht „nicht nachvollziehbar“. Die Stellungnahme des Finanzressorts zum Entwurf der Rechnungshof-Kritik endet mit einem Kopfschütteln: „Es bleibt die Frage nach Sinn und Ziel.“

So deutlich hat die Exekutive in den letzten Jahren an keiner anderen Stelle eine Institution der Legislative abgewatscht. Aber der Rechnungshof beharrt darauf, dass es seine Aufgabe ist, die wirkliche Lage ungeschminkt darzustellen. Nur auf dieser Grundlage könne die Politik ihre Rolle spielen. Das hat zumindest die SPD verstanden: Sowohl Partei wie Fraktion beziehen sich bei der Diskussion der aktuellen Finanzlage nicht auf die Papiere des parteilosen Finanzsenators, der immerhin auf „SPD-Ticket“ im Senat sitzt, sondern ausdrücklich auf den Rechnungshof.

Der Streit fängt schon bei den Fakten an. Vor wenigen Wochen hatte Bürgermeister Henning Scherf in einem Radio-Interview der Moderatorin widersprochen, die die Bremer Schuldenlage „zwischen 9 und 11 Milliarden Euro“ gesehen hatte. „Sie sind ja nicht voll informiert“, ging Scherf sie an: „Wir liegen bei ungefähr acht Milliarden.“ Der Finanzsenator gibt die Zahl offiziell mit 10,9 Milliarden an. Der Rechnungshof zählt Schatten- und Nebenhaushalte dazu und sagt: In Wahrheit sind es 12,2 Milliarden Euro.

Ähnlich der Streit um die Einwohnerentwicklung des Landes. Eine „Trendumkehr“ gebe es seit 2001, das müsse man deutlicher herausstreichen als der Rechnungshof es bei seiner negativen Zehnjahres-Bilanz getan habe, mahnte das Finanzressort kürzlich den Rechnungshof. Der konterte: Drei gute Jahre ergeben noch keine Trendumkehr. In den Jahren 2001-2003 hat das Land Bremen bei der Einwohnerentwicklung um gerade 0,1 Prozent über dem Bundesdurchschnitt gelegen, aber für 2004 muss man wieder mit einem Knick nach unten rechnen.

Warum die Kritik des Rechnungshofes den Finanzsenator so ärgert, liegt auf der Hand: Niemand sonst, auch die vom Senat mit dem Controlling beauftragten Wissenschafter, machen sich die Mühe, das regelmäßig vorgelegte offizielle Zahlenwerk kritisch zu durchleuchten. Die angegebene Investitionsquote stimmt nicht, sagt der Rechnungshof – große Projekte wie das CT IV werden außerhalb des Haushaltes finanziert. Die angegebene Höhe der laufenden konsumtiven Ausgaben stimmt nicht – der Finanzsenator bucht Personalkosten und Zinsen in sechsstelliger Höhe fälschlicherweise als „Investition“. Bei seinen Erfolgsberechnungen nimmt der Senat einmal die Gesamtheit der Bundesländer zum Vergleich, ein anderes Mal nur die alten Bundesländer, je nachdem wie es besser passt. „Um von vornherein den Verdacht einer Manipulation nicht aufkommen zu lassen“, schreibt der Rechnungshof, nehme er selbst immer die alten Bundesländer bei seinen Vergleichen. Das macht Sinn: Nicht gegenüber den armen Ost-Ländern, sondern gegenüber den Ländern der Bundesrepublik sollte Bremen mit der Sanierungshilfe, die seit 1994 fließt, aufholen. Und eben das ist weder beim Wirtschaftswachstum noch bei der Schaffung von Arbeitsplätzen, geschweige denn beim Schuldenabbau geschehen.

Die Trickserei des Senats geht nach Auffassung des Rechnungshofes noch weiter: „Als sich abzeichnete, dass ein Haushalt im Sinne des Sanierungszieles im vorgesehenen Zeitraum nicht zu erreichen war, wurde das ursprüngliche Ziel des Sanierungsprogramms des Jahres 1992 umdefiniert“, heißt es in dem Rechnungshofbericht. Ziel sei ursprünglich ein sanierter Haushalt gewesen, seit 1999 galt nur noch ein nach Haushaltsrecht „verfassungskonformer Haushalt“ als Ziel. Der Unterschied hat es in sich: Verfassungskonform ist ein Haushalt dann schon, wenn die laufenden Einnahmen die laufenden Ausgaben decken – für „Investitionen“ kann sich eine staatliche Gebietskörperschaft unendlich verschulden. Da sich „Investitionen“ des Landes Bremen nicht unbedingt steuerlich in der Landeskasse rentieren, müssten eigentlich viel schärfere Kriterien an die Investitionen oder an die Neuverschuldung angelegt werden, folgert der Rechnungshof – und bezieht sich auf die „Maastricht-Kriterien“ zur zulässigen Staatsverschuldung. Selbst bei der optimistischen Annahme, dass die Bremer Wirtschaft in später Folge der Sanierungsinvestitionen in den nächsten zehn Jahren ganz deutlich und überdurchschnittlich wachse, würde sich die Finanzlage weiter verschlechtern, rechnet der Rechnungshof vor – gemessen an den Maastricht-Kriterien und dem Ziel eines „sanierten Haushaltes“.

Inzwischen ist nicht einmal mehr der „verfassungskonforme Haushalt“ das offizielle Ziel des Bremer Senats, sondern nur noch ein „ausgeglichener Primärhaushalt“. Das ist noch weniger, weil die steigenden Zinslasten schlicht unterschlagen werden. Dieser Begriff sei haushaltsrechtlich „unbekannt“ und ohne Bedeutung, formuliert der Rechnungshof. „Ein solches Vorgehen ist eher geeignet, die Haushaltslage zu verschleiern“, heißt es in dem Bericht des Rechnungshofes. Die Fortsetzung des Streites ist damit für die nächsten Jahre programmiert.

Klaus Wolschner