berliner szenen An der Kreuzung

Tod eines Maulwurfs

Zunächst hatte ich gesehen, wie zwei Autos bremsten, dann sah ich den dunklen Fleck, der in der Mitte der Straße lag. Es war vier Uhr am Morgen. Die Kreuzung zwischen Berg- und Veteranenstraße war menschenleer. In der Mitte der Straße saß ein Maulwurf zwischen den Straßenbahnschienen. Er bewegte sich nicht. Etwas Blut und Schleim war auf der Straße. Er blutete vom Schwanz her, der an den der Ratte im Treppenhaus erinnerte, die so hungrig gewesen war, dass sie den Gummikram an den Treppenstufen anknabberte und nicht weglief, wenn man die Treppe runterging.

Nie zuvor habe ich einen Maulwurf frei in der Stadt gesehen. Er bewegte sich aber kaum noch. Ich stieg vom Rad und wollte ihn auf die andere Seite der Straße scheuchen. Wenn ich mit meinem Fahrrad hinter ihm war, bewegte er sich nicht. Als ich aber vor ihm ging, das Hinterrad vor seinem Köpfchen, folgte er mir, ein paar hastige Schritte, 30 Zentimeter vielleicht, dann konnte er nicht mehr. Die kleinen Füße, die Krallen und so. Und dann noch mal das Gleiche.

Kurz vor dem Bürgersteig bewegte er sich nicht mehr. Ich hatte nichts, mit dem ich ihn hätte in sicheres Gebiet bringen können. Mit der Hand traute ich mich nicht. Das Polizeiauto, das auf der anderen Seite vorbeifuhr, sah ich zu spät. Es wäre besser gewesen, wenn ich es angehalten hätte, wie in einem Kinderbuch. Dann wären freundliche Beamte rausgekommen, und im Auto hätten sie sicher eine Schaufel gehabt.

In einem Film hätten wir nun den Maulwurf begraben. In echt hockte ich da und redete mit dem Maulwurf. Nah am Bürgersteig, doch noch auf der Fahrbahn lag er im Sterben oder war schon tot und reagierte nicht mehr, als ich ihn anstubste. Dann fuhr ich nach Hause. DETLEF KUHLBRODT