Kein Frieden mit Hartz IV

Zum traditionsreichen Ostermarsch der Friedensbewegung trafen sich gestern am Brandenburger Tor vor allem DemonstrantInnen der Montagsdemos gegen Hartz IV

Der Takt der Trommeln ist gleich, die Lieder und der Sprechrhythmus sind es auch. Die AnhängerInnen der marxistisch-leninistischen Partei MLPD haben sich nicht mal die Mühe gemacht, ihre Schilder und Transparente auszuwechseln, die sie seit nun fast einem Dreivierteljahr jeden Montag um 18 Uhr am Alexanderplatz bei sich tragen. „Das ist kein Ostermarsch, sondern eine Montagsdemo gegen Hartz IV“, schimpft die 19-jährige Friedensaktivistin Annette Zelcher, die an diesem Ostermontag eigentlich zum Brandenburger Tor gekommen ist, um gegen die US-Besatzung im Irak zu demonstrieren.

Zur Halbzeit des Ostermarschs zählte die Polizei etwa 550 Teilnehmer, im vergangenen Jahr waren es dreimal so viele. Angekündigt hatten die Veranstalter dieses Jahr das Siebenfache. „Natürlich bin ich enttäuscht von der Teilnehmerzahl“, sagt Veranstalterin Laura von Wimmersperg von der Berliner Friedenskoordination (Friko), schwingt sich nach der Auftaktrede wütend auf ihr Fahrrad und braust in Richtung Alexanderplatz, zum Endpunkt des Ostermarschs. Dort wartet das „Friedensfest“ auf die Hartz-IV-DemonstrantInnen.

Dass die geringe Resonanz am Themengemenge liegen könnte, das glaubt Irmela Schramm (59) aus Zehlendorf aber nicht. Sie ist seit über 25 Jahren in der Friedensbewegung aktiv und hat schon häufig miterlebt, dass der Charakter der Ostermärsche immer bestimmt wird von den Themen, die gerade aktuell sind. „Für Frieden im Ausland und gegen sozialen Frieden im Inland, Abrüstung statt Sozialabbau – das gehört doch alles zusammen“, rechtfertigt eine andere Demonstrantin den Sozialprotest auf einer Friedensdemo.

Eine Touristin, die vor dem Hotel Adlon zufällig auf die DemonstrantInnen gestoßen ist, stellt sich vor ein rosa Sparschwein aus Pappmaschee mit dem Hartz-IV-Slogan „Bei Ihnen ist auch noch etwas zu holen“. Sie lässt sich von ihrem Ehemann mit einer Digitalkamera ablichten. Ob sie weiß, dass sie gerade an dem traditionsreichen Ostermarsch teilnimmt? Nein, das habe sie nicht gewusst, antwortet sie. Aber für mehr Frieden auf der Welt sei sie auch.

Am Ende der kurzen Demo-Schlange laufen AktivistInnen der Gruppe „Achse des Friedens“. Sie tragen die Europafahne vor sich her. „Ja zu Europa – nein zu dieser EU-Verfassung“, steht auf ihr geschrieben. Einen der Aktivisten, Hans-Peter Richter (64), stört es ebenfalls nicht, dass mehr Transparente gegen Hartz IV zu sehen sind als Pace-Fahnen und Friedenstauben. „Hartz IV drückt momentan eben mehr den Schuh als die Besatzung im Irak.“ FELIX LEE