Freifahrtschein für schwerste Laster

Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe will das Umfahren der LKW-Maut verhindern: Der Sozialdemokrat rät zu Fahrverboten und Polizeikontrollen – doch Nordrhein-Westfalens SPD-Verkehrsminister Axel Horstmann will erst auf „valide Daten“ warten

„Die inkompetente Politik konterkariert die Verkehrsplanung der letzten 30 Jahre“

VON ANDREAS WYPUTTA

Auf Nordrhein-Westfalens Bundesstraßen wird es vorerst keine Fahrverbote oder andere Beschränkungen für schwere Lastkraftwagen geben. „Derzeit ist nichts geplant“, sagt Lothar Wittenberg, Sprecher von NRW-Verkehrsminister Axel Horstmann. Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (beide SPD) empfiehlt für die Laster dagegen Tempolimits, Zufahrts- und Nachtfahrverbote sowie verstärkte Polizeikontrollen auf Bundesstraßen – viele Spediteure lassen ihre Fahrer auf Nebenstrecken ausweichen, um die Anfang des Jahres eingeführte Maut für LKW über zwölf Tonnen nicht zahlen zu müssen.

Doch damit steigt die Belastung von Anwohnern und Straßen: Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hat über 50 Bundesstraßen ausgemacht, die parallel zu den Autobahnen verlaufen und so als Ausweichstrecken für Mautpreller dienen können. Durch immer mehr Städte und Orte donnern die schweren LKW, und mit ihnen steigt die Abgasbelastung und das Risiko schwerer Unfälle. Außerdem droht die Zerstörung des oft noch intakten Bundesstraßennetzes. Ein einziger 40-Tonner zerstört die Straßen ebenso stark wie 30.000 PKW. „Die Bundesstraßen sind nicht für den Dauerbeschuss geeignet“, warnt der ADAC-Verkehrsexperte Thomas Hessling bereits.

Dennoch will das NRW-Verkehrsministerium Gegenmaßnahmen frühestens im Herbst treffen. Erst dann lägen „valide Daten, aussagekräftige Zahlen“ vor, sagt Sprecher Wittenberg – derzeit läuft eine Untersuchung der Mönchengladbacher Bundesanstalt für Straßenwesen, NRW betreut das Projekt federführend. Mit Ergebnissen wird frühestens im September gerechnet. Ein „Mehraufkommen“, also das Ausweichen von den Autobahnen auf Bundesstraßen, stehe aber „außer Frage“, weiß auch Wittenberg.

Wie der Verkehrsexperte der CDU-Landtagsfraktion, Heinz Hardt, befürworten deshalb auch die Grünen Stolpes Vorschläge: „Wir haben vereinbart, dass schwere LKW auf den Autobahnen fahren und dafür bezahlen“, sagt deren verkehrspolitischer Sprecher Oliver Keymis. Stolpes Vorstoß müsse sehr genau geprüft werden – schließlich sei ein Ziel der Maut auch die Eindämmung des Gütertransports auf der Straße und damit die Verhinderung des drohenden Verkehrsinfarkts gewesen. „Güter gehören auf die Schiene“, ist Keymis überzeugt.

Umweltverbände wie der BUND plädieren dagegen für eine sofortige Maut zumindest für Parallelstrecken. Stolpes Vorschläge seien „aus der Not geboren, aus der Hüfte geschossen und ohne Konzept“, so Verkehrsexperte Werner Reh zur taz. Die parallel zu Autobahnen verlaufenden Bundesstraßen hätten schon bei Einführung der Maut kostenpflichtig werden müssen – ebenso wie kleinere LKW ab einem Gesamtgewicht ab 3,5 Tonnen. Jetzt bestehe die Gefahr, dass immer mehr Spediteure ihre Fahrzeugflotten auf leichtere Wagen umstellten, um so die Maut zu umgehen. Insgesamt werde durch die „inkompetente Politik die Verkehrsplanung der letzten 30 Jahre konterkariert“, ärgert sich Reh: „Statt den Verkehr zu bündeln, werden immer mehr Nebenstrecken und innerörtliche Straßen belastet.“

Selbst die größer werdende Feinstaub-Problematik könne eine Folge der Ausweichmanöver sein, warnt Reh – schließlich beträgt der Anteil der LKW-Anteil am Gesamtverkehr nur zehn Prozent, doch stammten 60 Prozent der Feinstäube aus den großen Dieselmotoren der Laster: „Man fragt sich, wer uns eigentlich regiert.“