„Wir duschen die Straße“

Dortmund und Düsseldorf werden bald die zulässige Feinstaubbelastung der Luft überschreiten. Der Leiter des Dortmunder Umweltamtes über Fahrverbote für Brummis und uneinsichtige BürgerInnen

taz: Dortmunds BürgerInnen mussten an der Brackeler Straße in diesem Jahr schon 29 Mal zu viele Feinstäube atmen. Wann wird die EU-Grenze von 35 Überschreitungen durchbrochen?Wilhelm Grote: Darüber kann man nur spekulieren. Wahrscheinlich ist es im Mai soweit. Die betroffene Brackeler Straße ist eine Straßenschlucht mit dichter Randbebauung und einem ständigen Stop- and Go-Verkehr.

Sie blicken also der Grenzwertüberschreitung ins Auge. Was können Sie jetzt noch tun?

Wir versuchen die Belastung zu senken. Ab dem 9. März haben wir die Straße täglich geduscht, seit dem tickt die Station etwas langsamer. Jetzt lassen wir diese Maßnahme meteorologisch überprüfen und fragen, ob es geregnet hat, ob es nebelig war, ob diese nasse Waschung überhaupt gewirkt hat.

Trotzdem wird die Grenze bald schon überschritten.

Letzten Donnerstag hatten wir ein Gespräch mit der Bezirksregierung Arnsberg über den Aktionsplan. Mit dem Fallen der 35er-Marke werden kurzfristig Maßnahmen ergriffen. Dies kann zunächst die Schaltung einer Pförtnerampel sein, um den Zufluss auf die Straße zu dosieren. Außerdem überlegen wir, die Straße für LKWs über 3,5 Tonnen von sechs bis 22 Uhr oder sogar komplett zu sperren. Das Landesumweltamt guckt jetzt, was das für die Luft bringt. Und die Stadt rechnet, wie sich die Maßnahmen auf den übrigen Verkehr auswirken. Langfristig überlegen wir, über das Gelände der alten Westfalenhütte eine Ausfallstraße zu bauen.

Ampeln und neue Straßen reduzieren aber nicht insgesamt die Schadstoffe in der Luft – so verteilen sich die Feinstäube auf andere Viertel.

Die Verkehrsmenge ist ungeheuer schwer zu beeinflussen, sie ist eine mehr oder weniger konstante Größe. Natürlich wollen wir die Leute verstärkt auch auf das Fahrrad und in den ÖPNV kriegen, das ist sehr schwer. Die Bevölkerung hat ein großes Bedürfnis nach Individualverkehr, es gibt kein probates Mittel dagegen. Wir können nur den Stand der Technik verbessern, etwa durch Rußfilter.

Aber noch nie hat die Bevölkerung so laut nach Fahrverboten gerufen wie jetzt.

Ich glaube nicht, dass der Wunsch der Bürger nach sauberer Luft größer ist als nach Autofahren. Eine kleine Anzahl macht sich Gedanken, die meisten tun das nicht.

Das ist nicht neu – und trotzdem gibt es erst jetzt Aktionen gegen die Luftverpester.

Es gab schon immer Aktionen, zum Beispiel die Ausweisung von Tempo-30-Zonen, die Katalysatortechnik, Fußgängerampeln. Das ist alles langwierig, wir haben da nichts verschlafen. Vor fünf Jahren war der Feinstaub noch kein Thema. Vor fünf Jahren galten Dieselfahrzeuge noch als Umweltschutz.

Dass PKW die Luft verschmutzen, ist seit Jahrzehnten bekannt.

Trotzdem bleibt das Auto für die Bevölkerung das liebste Kind.

INTERVIEW: ANNIKA JOERES