Von Tau zu Tau

Im Hamburg, direkt hinter dem Hafen, werden noch Taue gemacht. Nur die Kundschaft hat sich verändert

Das Wort klingt nicht so, als wäre es noch von dieser Welt. Tauwerk. Das ist der Ort, an dem die Taue gemacht werden. Der dazu gehörige Beruf heißt Seiler, und es gibt auch noch welche, die ihn ausüben: „In ganz Norddeutschland gibt es noch drei Tauwerke“, sagt Klaus Lippmann aus Hamburg. Eines davon gehört ihm.

64 Jahre alt ist der Seiler jetzt, und er macht Taue in der vierten Generation. Seit 1850 sind die Lippmanns am Seil. 1850, das war das Jahr, als Klaus Lippmanns Urgroßvater Friedrich nach Hamburg kam und sich in eine Frau aus Altenwerder verliebte.

Seilermeister gab es in Hamburg wie Sand am Elbstrand. Noch vor hundert Jahren machten sich allein im Stadtteil Moorburg, wo Lippmann sitzt, 30 Tauwerke Konkurrenz. Von der Seilerei kommt auch der Name von Hamburgs berühmtester Straße: Das Wort „Reeperbahn“ bezeichnet die Anlage, auf der die Seile gemacht werden.

Doch so wie die Reeperbahn nicht aussieht wie vor 100 Jahren, ist auch die Kundschaft nicht mehr dieselbe. Die Taue, die die Containerschiffe in den großen Häfen wie dem in Hamburg halten, kommen inzwischen aus Fernost, ganz wie die Schiffe selbst. Klaus Lippmann behauptet sich, indem er sich spezialisiert: auf Luxusjachten, auf Bundeswehrausrüstung, auf Modesportarten wie das Kitesurfen. Überall werden Seile und Schnüre gebraucht, und Lippmann, der Textilingenieur, weiß, wohin die Reise geht: hin zu Hightech-Fasern zum Beispiel, die fester sind als Stahlseile. Hin zu Trendfarben wie Marineblau.

342 Meter lang ist die Reeperbahn, die Klaus Lippmann betreibt. Länger, sagt er, sei keine in Europa. Als Lippmann das Geschäft 1971 übernahm, hatte er zehn Mitarbeiter, jetzt sind es 45. „Unsere Strategie ist es, mit vielen Beinen im Markt zu stehen“, sagt Lippmann. Fällt eines aus, laufen die anderen weiter.

Und was, wenn Lippmann selbst nicht mehr weiter will? „Ich habe Glück“, sagt er. Und meint damit, dass die Nachfolge geklärt ist. Im nächsten Jahr schon wird er die Seilerei weitergeben – an seine Tochter Stefanie. Das wäre dann die fünfte Generation. dpa