Statt Ostereiersuche gerötete Haut

Trotz eines Störfalls geht heute die Müllverbrennungsanlage im Osten Hannovers wieder in Betrieb. Noch in der Testphase, hatte sie einen Stadtteil nach einem Unfall mit grauer Staubwolke überzogen. Geschäftsführer: Mitarbeiter hätten beim Umstellen von Müll- auf Ölverfeuerung einen Fehler gemacht

Mit der Ostereier-Suche am vergangenen Wochenende im Freien war erst mal Essig. Stattdessen riet die Umweltbehörde der Region Hannover den Anwohnern in der Nähe der Müllverbrennungsanlage in Lahe dringendst, „keine Gartenkräuter zum Verzehr zu nutzen und darauf zu achten, dass Kleinkinder keine Erde essen“. Nach dem Aufenthalt im Garten solle man sich „auf jeden Fall die Hände waschen“.

Lange hatten eine Bürgerinitiative und Anwohner vergeblich gegen die neue Müllverbrennungsanlage im Osten Hannovers protestiert. Am vergangenen Donnerstag gab es bereits den ersten Störfall – dabei ist die Anlage noch in der Testphase: Eine graubraune Staubwolke rieselte fast drei Stunden lang auf den kinderreichsten Stadtteil Hannovers. Einige Anwohner klagten später über gerötete Haut und gereizte Atemwege, Dächer, Gärten und Straßen wurden mit einem Schmutzfilm überzogen.

Erste Messungen ergaben hohe Chlor- und Nitritbelastung. Sogar erhöhte Quecksilberwerte wurden gemessen. Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Verdachts auf eine Umweltstraftat.

„Ich habe so einen Störfall noch nicht erlebt – und ich bin seit 25 Jahren im Kraftwerksgeschäft“, sagt Geschäftsführer Edgar Kaufhold von den Braunschweigischen Kohle-Bergwerken (BKB) – und entschuldigt sich für den „Vorfall, bei dem möglicherweise ungefilterter Staub von uns ausgetreten ist“. Mitarbeiter hätten beim Umstellen von Müll- auf Ölverfeuerung einen Fehler gemacht. So sind offensichtlich ungefilterte Abgase nach außen gedrungen. Die Firma werde den „entstandenen Schaden sinnvoll regulieren“. Ob die Gesundheit von Anwohnern geschädigt wurde, ist noch unklar. Ende dieser Woche liegen Ergebnisse zur Schwermetallbelastung durch den Unfall vor, erst in der kommenden Woche steht fest, ob möglicherweise sogar Dioxin ausgetreten ist. „Das hängt davon ab, was in dem Müll war, der in Lahe verbrannt wurde“, sagt Bernhard Klockow, der Leiter des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamts.

Nachdem die Behörde die Anlage über Ostern stillgelegt hatte, genehmigte Klockow gestern wieder das Hochfahren unter Auflagen. Es gebe „allerdings bislang keine Anhaltspunkte dafür, dass vom Betrieb Gefahren für die Gesundheit ausgehen“.

Mit Klagen, Trecker-Demos und „Steinen des Anstoßes“ hatte seit mehreren Jahren eine breite Bürgerbewegung gegen das 100-Millionen-Euro-Projekt direkt am Autobahnkreuz Buchholz Front gemacht. Hier sollen ab Juni regulär 230.000 Tonnen Müll jährlich verbrannt werden, ganz in der Nähe entsteht parallel eine Anlage, in der Abfälle vergären sollen.

Um Geld zu sparen, hätten die Betreiber, die zum Eon-Konzern gehörende BKB sowie die Papenburg-Gruppe, in Lahe höchstens Mindeststandards erfüllt, ärgern sich Betroffene. Zudem würden für die funkelnagelneue Müllschleuder mit ihrem 70 Meter hohen Schornstein weitaus geringere Emissionswerte gelten als für andere Müllverbrennungsanlagen, etwa im nahe gelegenen Hameln.

Besonders wütend machte viele, dass der ursprünglich geplante Standort der Anlage von Hannover-Misburg „in einer Nacht- und Nebelaktion“ nach Lahe verlegt worden war, „weil offensichtlich in Misburg zu viel Prominenz aus dem Hannoveraner Stadtrat wohnt“.

Kai Schöneberg