Nagel zeigt Gnade

Der Innensenator stellt Flüchtlingskindern, die ihren Angehörigen nach Deutschland gefolgt sind, ein Bleiberecht in Aussicht. Lob von allen Seiten

„Die Integrationswilligkeit ist durch gute Zeugnisse zu belegen“

Von Eva Weikert

In Hamburg können viele Familien aufatmen: Der CDU-Senat hat gestern seine Bereitschaft bekundet, Migrantenkinder, die ohne Visum nach Hamburg gekommen sind, „unter bestimmten Voraussetzungen“ nicht abzuschieben. Den Jungen und Mädchen, die von ihren hier lebenden Angehörigen nachgeholt wurden, solle ein Bleiberecht gewährt werden, teilte Innensenator Udo Nagel (parteilos) mit. Seine Behörde wisse zurzeit von 40 Kindern, denen Trennung von der Familie drohte, weil sie ohne Visum eingereist waren. „Es können aber auch mehr sein.“

Der Senat nutze die Möglichkeiten, die das seit Januar geltende Zuwanderungsgesetz biete, begründete Nagel die plötzliche Milde. Bisher schreckte die Innenbehörde nicht davor zurück, Kinder abzuschieben, deren Eltern oder nahe Angehörige mit einem festen Aufenthaltstitel hier leben. Größtes Aufsehen erregte in der Vergangenheit der Fall der Schwestern Oppong. Die Schülerinnen sollten 2003 nach Ghana in ein Waisenhaus verfrachtet werden, obwohl ihre Mutter in Hamburg lebt. Erst nach langem öffentlichen Druck war der damalige Rechts-Senat der Bitte des Petitionsausschusses der Bürgerschaft nachgekommen, den Mädchen immerhin eine Vorabzustimmung zur Wiedereinreise zu gewähren.

Das Zuwanderungsgesetz erlaubt, aus humanitären Gründen ein Bleiberecht zu erteilen, das aus rechtlicher Sicht versagt bliebe. Diese Möglichkeit werde nun für „illegal eingereiste“ Migrantenkinder „großzügig genutzt“, so Senator Nagel. „Zugleich werden wir aber auch weiter konsequent gegen solche Ausländer vorgehen, die ihren Aufenthalt in Hamburg für Straftaten, verfassungsfeindliche Aktivitäten oder sonstige missbräuchliche Zwecke ausnutzen“, stellte er klar.

Gnade erfahren sollen Jungen und Mädchen, die hier „in einer familiären Gemeinschaft mit Familienangehörigen leben, die selbst bereits über ein gesichertes Aufenthaltsrecht verfügen“, so Nagel. Auf das Visumsverfahren werde verzichtet, wenn die Kinder zudem „integrationswillig- und fähig sind“. Zu belegen sei dies durch regelmäßigen Schulbesuch und „gute Zeugnisse“, sagte der Behördenpräses. Auch dürften die Kleinen nicht straffällig werden. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, werde zunächst eine sechsmonatige Aufenthaltserlaubnis erteilt, die im Halb- und später im 3-Jahres-Rhythmus verlängert werde. Die „Integrationsfähigkeit“ werde regelmäßig überprüft, schlussendlich bei Volljährigkeit.

Die Opposition und die Nordelbische Kirche (NEK) zeigten sich erleichtert über das Bleiberecht. „Die Regelung war längst überfällig“, kommentierte die GAL. Die SPD-Fraktion erinnerte an eine „ganze Reihe von bedrückenden Einzelfällen“, mit denen sich der Petitionsausschuss der Bürgerschaft beschäftigen musste. Damals habe sich die CDU nicht auf die Seite der Kinder gestellt. Jetzt zeige Nagel der CDU, „wie es geht“, lobte die SPD.

„Wir finden die Regelung sehr gut“, schloss sich die NEK-Flüchtlingsbeauftragte Fanny Dethloff an. Sie hoffe nun, Nagel werde das Zuwanderungsgesetz „noch ein paarmal lesen, damit er sieht, dass es weitere positive Entscheidungen auch für andere Gruppen wie Alte und Kranke ermöglicht“.

Kommentar Seite 21