Möller startet durch

Was schert uns unser Geschwätz von gestern: Die SPD in Kiel stellt die Weichen in Richtung große Koalition

„Was schert mich mein Geschwätz von gestern“: Eines der berühmtesten geflügelten Worte des ollen Adenauers scheint derzeit die Handlungsmaxime der Kieler Sozialdemokraten zu sein. Diese und allen voran ihr Landesvorsitzender Claus Möller hatten noch nach dem vierfachen Simonis-Wahldebakel im Landtag mit bleichem Antlitz in die Kameras geächzt, dass die SPD keinesfalls zu einer großen Koalition um jeden Preis bereit sei.

Zwischen CDU und SPD gebe es große Gegensätze, hatte Möller bekräftigt – und dabei unter anderem auf die Bildungspolitik verwiesen. „In die Verhandlungen zu gehen und zu sagen, koste es, was es wolle, wir werfen alle unsere Programmatik über Bord, wir wollen nur die große Koalition – das wird es mit der SPD Schleswig-Holsteins nicht geben“, so der Mann heldenmutig.

Kaum hatte derselbe Möller allerdings am Gründonnerstag mit CDU-Chefbart Peter Harry Carstensen in einem historischen Gehöft am Rande des Freilichtmuseums Molfsee bei Kiel die Chancen einer großen Koalition ausgelotet, bejubelte der Genosse die „sachlichen und konstruktiven“ Gespräche. Am gestrigen Abend schließlich wollte Möller – nach gewiss Schweiß treibenden und stundenlangen Beratungen von Landesvorstand und Landesparteirat der Nord-SPD – vor der Presse die förmliche Aufnahme von schwarz-roten Koalitionsverhandlungen verkünden.

Selbst beim im Wahlkampf heiß umkämpften und ideologisch aufgeladenen Thema Schulpolitik sieht Möller urplötzlich Chancen auf Einigung der beiden Parteien. Zwar strebe die SPD anders als die CDU eine Gemeinschaftsschule nach skandinavischem Vorbild an. Allerdings habe die SPD – hört, hört! – stets klar gemacht, dass die Umstellung nicht in einer Wahlperiode erfolgen könne. „Darin könnte der Kompromiss liegen, dass man einerseits das bestehende dreigliedrige Schulsystem weiter bestehen lässt, aber parallel dazu den Einstieg in eine Gemeinschaftsschule beginnt“, rudert Möller flugs zurück.

Die Grünen wiederum finden sich bei all diesen hübschen Polit-Spielchen draußen vor der Tür wieder. So bleibt dem Fraktionsvorsitzenden Karl-Martin Hentschel nur, heute Nachmittag im Landeshaus ein Pressegespräch zu veranstalten – unter dem etwas demütigend-gewundenen Titel „gegenwärtige politische Situation, insbesondere der Stand der Verhandlungen zur großen Koalition“. „Kaffee und Kuchen stehen bereit“, heißt es in der Einladung verlockend. Vielleicht kommt ja jemand.

Markus Jox