Keine Fluchten

Stefan Canhams Bauwagen-Fotos im Altonaer Museum

Vielleicht sollte man es nicht ketzerisch betrachten. Vielleicht sollte man ehrfürchtig-sozialkritisch vor diesen Fotos stehen, insbesondere angesichts der Tatsache, dass Bauwagen ein in Hamburg so stark instrumentalisiertes Thema sind. Andererseits hat der Fotograf Stefan Canham, dessen Bauwagen-Interieurs derzeit im Altonaer Museum hängen, selbst einen explizit sachlichen Ansatz gesucht.

Was ist also zu finden in diesen Aussteiger-Domizilen; worin unterscheidet sich ihr Wohnen von der Sesshaftigkeit? Die Fotos erweisen: vor allem Ort und Dimension. Den Messie und den Ordentlichen gibt es da, den Esoteriker und den Gediegenen samt CDs und Bordcomputer. Auch der Gitarren-bewehrte 70er-Jahre-Jünger ist vertreten; Ideologien und Schichten der Sesshaftigkeit sind originalgetreu kopiert.

Zudem kommen die stillleben-artigen Fotos recht anonym daher und wirken ein wenig wie für den Ikea-Katalog konzipiert. Geschickte, an die Einraum-Wohnungen der DDR erinnernde Einrichtungs-Kniffe kann man hier respektvoll studieren, sich anderswo hinterm Bullauge eines Schiffsbauchs wähnen. Lediglich die (einzige) Außenaufnahme suggeriert Andersartigkeit: in jenem anderthalbgeschossigen, bei Winterlicht fotografierten Bauwagen: Da könnte wohl die Schneekönigin wohnen. Doch die Tür ins ganz andere Interieur öffnet sich nicht. Mit Lust und Muße mag man hier Nuancen ergründen – doch was transportieren diese Bilder? Jene vergessene Romantik, wie sie Carl Spitzwegs „Armer Poet“ atmete? Eine Offenbarung für den Sesshaften, der das Bauwagen-Leben noch überraschender anders vorfindet als gedacht?

Nein, nichts dergleichen; die Differenz bäuerlichen oder klösterlichen Lebens zur Bürgerlichkeit ist größer als dies. Und so bezeugen Canhams Interieurs bloß ein minimal abweichendes Verhalten der Bewohner, die den Hierarchien und Stereotypen mitteleuropäischen Wohnens verhaftet bleiben. Und die insofern – dies sei grummelnden Senatoren auf den Spiegel geschrieben – alles andere als gefährlich sind. Sondern eine gut verkraftbare Facette individueller Renitenz. Petra Schellen

Di–So 11–18 Uhr, Altonaer Museum; noch bis 3.4.