Schillers Geist hochhalten

„Es wird ewig weitererzählt“: Die Literaturzeitschrift „Die Horen“ aus Bremerhaven erscheint in ihrem 50. Jahrgang. Und lässt dabei nicht ab vom Schillerschen Ideal ästhetischer Bildung

„Das andere Arkadien“, heißt der erste Band der „Horen“ in diesem Jahr. „Über Chancen und Risiken eines literarischen Genres“. Ein glücklicher Untertitel zum 50. Jahrgang. „Die Horen“ haben die Chancen einer Literaturzeitschrift zu nutzen gewusst: Indem sie ein Forum bieten für Schriftsteller, die zu Unrecht vergessen worden sind und solche, die es noch zu entdecken gibt. Indem sie Literaturen aus kleinen Ländern vorstellen, die von der bundesdeutschen Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wird.

„Wir verstehen Literatur als einen Kommentar zur Wirklichkeit, der kritisch angelegt ist. Als aufklärerischen Impetus“, sagt Herausgeber Johann P. Tammen.

Seit rund 25 Jahren ist die Zeitschrift in Bremerhaven angesiedelt, während sich die sechsköpfige Redaktion in der gesamten Republik verteilt. Ein achtköpfiger Beirat, dem unter anderem Uwe Kolbe, Katja Lange-Müller und Wolfgang Hegewald angehören, begleitet die Arbeit. Die ist ehrenamtlich. „Wir sind alle idealistisch, um nicht zu sagen, selbstausbeuterisch“, meint der Herausgeber. Zumindest was den Idealismus anbelangt, stehen sie damit in einer langen Tradition.

Gegründet hat die „Horen“ 1955 der Schriftsteller Kurt Morawietz, der damit an die von Schiller begründete Literatur-Zeitschrift „Die Horen“ anknüpfen wollte. Zehn Jahre nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus sollte die neue Zeitschrift die Schillersche Idealen aufgeklärten Bürgertums und ästhetischer Bildung fortführen.

Dieser hohe Anspruch wurde mit technisch äußerst bescheidenen Mitteln umgesetzt: Die ersten Exemplare wurden hektographiert und per Hand zusammengeheftet. An Honorare für Autoren war nicht zu denken. Johann P. Tammen erzählt gern die Geschichte, wie Heinrich Böll, um ein Manuskript gebeten, stattdessen 100 Mark, begleitet von einem aufmunternden Brief, geschickt hat. Mittlerweile hat sich die finanzielle Situation entspannt: Seit einigen Jahren gibt der Bremerhavener „Wirtschaftsverlag“ die „Horen“ heraus. Außerdem unterstützt das Land Niedersachsen die vielfach ausgezeichnete Zeitschrift mit einem Zuschuss.

Sorgen macht sich sich Johann P. Tammen weniger um die Finanzen denn um die Rezeption seiner und anderer Literaturzeitschriften. Renommierte Titel wie die „Frankfurter Hefte“ oder „L 80“ mussten eingestellt werden, der Rowohlt-Verlag hat sich vom „Kursbuch“ verabschiedet. „Das ist durchaus ein bisschen beschämend“, sagt Tammen. Das Feuilleton nehme die Literaturzeitschriften kaum wahr und in den Stadtbibliotheken stünden an ihrer Stelle zunehmend Fachzeitschriften. Die Auflage ist auf 5500 Stück gesunken. „Aber in einem bin ich endlos optimistisch“, sagt Temmen: „Es wird immer und ewig weitererzählt. Und dass auch in beeindruckender Güte“. Friederike Gräff