denkmal dubios (5)
: Tragisch: Mutterliebe hinter Gittern

Tief senkt sich der gütige Kupferblick der Mutter in die Augen des Sohnes. Der kleine Bub steht halb geborgen unter einem Zipfel ihres Kleides, die Händchen hochgestreckt. Ein Idyll der Fürsorge, das seit fast 40 Jahren den Eingang des Gesundheitsamtes an der Ecke Horner-/Humboldtstraße markiert. Das Amt hatte das Werk bei Gerhart Schreiter in Auftrag gegeben, der Bremen in den 60ern mit etlichen Werken (unter anderem die Bremerhavener Großplastik „Memento Maris“) beglückte.

Allerdings: Die Metall gewordene Mutterliebe steht mittlerweile hinter Gittern – schon seit vergangenem Sommer. Eine Installation? Entstanden aus Solidarität mit irakischen Vätern, die mit Kapuze über dem Kopf von GIs bewacht werden, ihre Söhne noch an der Hand? Mitnichten. Statt der US-Army war hier ein einzelner Hausmeister am Werk. Der hatte bemerkt, dass Mutter und Kind etwas wackelig stehen und umgehend die Vergitterung veranlasst – schließlich kann aus aus einer Umfall- ganz unmittelbar eine Unfallgefahr erwachsen.

Nicht ganz so schnell geht offenbar die Reparatur vonstatten. Das Ressort für Bau und Verkehr erklärt sich für nicht zuständig („wenn Sie eine Windmühle im Garten haben, ist das ja auch Ihre Sache“), auf der Schutzliste des Denkmalpflegers ist das Werk auch nicht zu finden – das Gesundheitsamt muss sich um sein traditionsreiches Ensemble also selber kümmern. Gibt es dort schon eine MitarbeiterInnen-Initiative zur Befreiung der Gefangenen? „Aber nein“, sagt der Referatsleiter. „Wenn man monatelang daran vorbei geht, nimmt man das gar nicht mehr so wahr.“

In der Tat: Die Auszubildende des Amtes hat die Gitter noch gar nicht als solche gesehen. Aber Frau Eick: Der engagierten Mitarbeiterin des Amtschefs ist die bizarre Symbolik am Eingang gar nicht recht. Viele Besucher würden besorgt zur Mutter zeigen und fragen: „Was hat die denn bloß?“ Wackelige Beine. Jetzt werde wohl oder übel gewartet, bis im eigenen Etat Geld zur Reparatur zur Verfügung stehe.

Henning Bleyl