Syrien sagt völligen Abzug aus dem Libanon zu

In einem Brief an den UN-Generalsekretär sollen die Soldaten das Nachbarland vor den Wahlen Ende Mai verlassen. Doch die Regierungsbildung verzögert sich weiter. Die Handelskammer in Beirut ruft jetzt zu einem Streik auf

BEIRUT dpa/afp ■ Die syrische Führung will ihre restlichen Truppen noch vor den Wahlen im Libanon aus dem Nachbarland abziehen. Eine entsprechende Zusage machte der syrische Außenminister Faruk Scharaa in einem Brief an UN-Generalsekretär Kofi Annan.

Syriens Präsident Baschar al-Assad sagte in einem gestern veröffentlichten Interview mit dem österreichischen Magazin News, Damaskus werde im April ein endgültiges Datum für einen Abschluss des Abzugs nennen. Assad sagte, er wolle die Forderungen der UN zügig erfüllen. Ob die Wahlen im Libanon jedoch tatsächlich wie geplant und wie von den USA und der Opposition gefordert Ende Mai stattfinden können, wird immer fraglicher, da das Land einen Monat nach dem Rücktritt von Ministerpräsident Omar Karami noch keine neue Regierung hat. Karami sagte gestern nach einem Treffen mit Präsident Émile Lahoud, er werde innerhalb von 48 Stunden bekannt geben, ob er das Mandat aufgebe, eine neue Regierung zu bilden. Zuerst wolle er jedoch seine Verbündeten konsultieren.

Amin Gemayel, der während des Bürgerkrieges in den 80er-Jahren sechs Jahre lang Präsident des Libanon war, sagte Beirut, die Opposition sei unter keinen Umständen bereit, sich an einer von Karami vorgeschlagenen „Regierung der nationalen Einheit“ zu beteiligen. Das würde nicht funktionieren. Eine solche Regierung könnte erst nach den Wahlen gebildet werden, „denn die prosyrischen Kräfte haben derzeit noch die Mehrheit im Parlament“, erklärte er.

Der Chef des libanesischen Militärgeheimdienstes, Raymond Azar, ließ sich unterdessen „für einen Monat“ beurlauben. Das teilte ein Vertreter der libanesischen Armee mit. Die Opposition fordert im Zusammenhang mit der Ermordung des ehemaligen Regierungschefs Rafik Hariri den Rücktritt der Chefs der sechs Geheimdienste sowie des Generalstaatsanwalts. Sie begrüßte den Schritt Azars, betonte aber, dies sei nur ein erster Schritt. Die Verantwortlichen müssten auch von der Justiz zur Rechenschaft gezogen werden.

Wegen eines Streiks ruhte am Mittwoch weitgehend das Geschäftsleben in Libanon. Die Handelskammer hatte wegen der jüngsten Welle von Bombenanschlägen in Beirut zum Streik aufgerufen. Sie drohte, die Steuerzahlungen zu boykottieren. Zugleich forderte sie von der Regierung eine rasche Aufklärung der Ermordung Hariris.

Der Nachrichtensender al-Arabija berichtete unter Berufung auf arabische Diplomaten bei der UNO in New York, Syrien und Libanon hätten zugesagt, eine internationale Untersuchung des Mordes zu akzeptieren. Mehrere tausende Anhänger prosyrischer Parteien versammelten sich nach Angaben von Augenzeugen am Mittwoch in der Nähe der US-Botschaft, um gegen die „amerikanische Einmischung“ in die libanesische Politik zu protestieren.

Syrien setzte am Mittwoch den Truppenabzug fort. Unter anderem wurden Stellungen an der Straße von Beirut nach Damaskus geräumt. Aus libanesischen Militärkreisen hieß es, auch Luftabwehrstellungen in der Bekaa-Ebene seien abgebaut worden.