Garantien für vertriebenen Staatschef

Kirgisiens gestürzter Präsident Askar Akajew ist bereit zurückzutreten. Dies tat schon der Koordinator für Sicherheitsfragen – um sich als Präsidentenkandidat zu empfehlen. Gerangel um Neuverteilung wirtschaftlicher Machtposten ist in vollem Gange

AUS BISCHKEK MARCUS BENSMANN

Der starke Mann Kirgisiens, Felix Kulow, ist vom Posten des Koordinators der Sicherheitskräfte zurückgetreten. „In Bischkek ist die Ordnung wieder hergestellt. Polizei und Militär arbeiten wieder“, sagte der bullige Kirgise mit der Knastfrisur. Kulow war vor fünf Jahren unter dem kirgisischen Präsidenten Askar Akajew, dem er zuvor als Geheimdienstchef gedient hatte, wegen Korruptionsvergehen eingebuchtet worden. Nach der siegreichen Revolte am Donnerstag in Bischkek befreite die Opposition den Häftling und übergab ihm gleich das inoffizielle Amt des Sicherheitskoordinators, um der Anarchie Einhalt zu gebieten.

Kulow hat in drei Tagen mit Hilfe von Milizen de Ordnung in der kirgisischen Hauptstadt wiederhergestellt und die Machtministerien reorganisiert. Nun wird sich Kulow um seine Rehabilitierung kümmern. Denn sollte er für die kommende Präsidentenwahl kandidieren, braucht er eine weiße Weste. Kulow schließt eine Kandidatur nicht mehr aus. Sein Amtsverzicht ist schon ein Teil der Wahlkampagne. In einer Zeit, wo sich die siegreichen Oppositionäre um lukrative Posten balgen, ist ein freiwilliger Rücktritt in den Augen der Bevölkerung ein ungewohntes Ereignis.

Das neue Parlament hat heute an das hohe Gericht Kirgisiens appelliert, sich erneut der Strafsache Kulow anzunehmen. „Eine Rehabilitierung liegt auf der Hand“, sagt ein Abgeordneter. Kulow ist wegen politischer Gründe verurteilt worden, wegen politischer Gründe wird er auch rehabilitiert. Effektvoll hat Kulow jedoch versprochen, wieder ins Gefängnis zurückzukehren, sollte das Gericht ihm die Reinwaschung verweigern.

Unterdessen haben das neue Parlament und die neuen Mächtigen Akajew alle Sicherheiten garantiert, sollte der nach Moskau geflohene Staatschef zurücktreten. Nach der Verfassung müsste er dies vor dem Parlament in Bischkek tun. Akajew hatte am Dienstagabend seine Bereitschaft zum Rücktritt durchblicken lassen, wenn ihm entsprechende Sicherheitsgarantien zugestanden würden.

Kulow rief Kurmanbek Bakiew auf, eine einvernehmliche Lösung für die Präsidentenwahl zu finden. Bakiew kommt aus den armen Südprovinzen, und die dortigen Klans, die sich als die Sieger der Revolution sehen, drängen an die Fleischtöpfe des bitterarmen Landes. Beobachter gehen davon aus, dass sich beide jeweils das Amt des Präsidenten und Premiers nach der Wahl teilen könnten, zumal die neue Verfassung die Vollmachten des Präsidenten stark einschränkt.

In Bischkek normalisiert sich die Lage und das Gerangel um die von der Akajew-Familie beherrschten Wirtschaftszweige beginnt. Der frühere Besitzer der damals größten Tageszeitung Vetschernij Bischkek, Alexander Kim, versucht über die Gerichte das Blatt wiederzubekommen. Der Koreaner ist ein Parteigänger Kulows und wurde 2000 von Spezialkräften aus der Zeitung vertrieben, als sein Patron ins Gefängnis wanderte. Das einträgliche Zeitungsgeschäft sicherte sich Adin Toigonbaew, der kasachische Ehemann der Präsidententochter Bermet Akajewa, der sich zu einem einflussreichen Oligarchen in Kirgisien entwickelte. Um das Schnaps-, Benzin- und Mediengeschäft baute der Kasache sein Imperium auf.

Kasachstan hat derweil die Grenze zu Kirgisien gesperrt. Ein ausländischer Beobachter bringt die Grenzschließung mit dem Kampf Toigonbaews um sein Firmenimperium zusammen. „Er will verhindern, dass er alles verliert. Kasachstans Regierung scheint ihm zu helfen.“ Wenn die Grenze zu Kasachstan langfristig für den Güterverkehr gesperrt bleibt, droht Kirgisiens Wirtschaft der endgültige Kollaps.