Der Schmerz im Herzen

Der Blues. Eine Traditionsveranstaltung. Und Traditionspflege soll doch, wie auch gerade letzthin im Burschenschaftler-„Tatort“ am Sonntag zu hören war, nicht die Aufbewahrung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers sein, was dann nur heißen kann, sich rechtzeitig um die Übertragung des Geschäfts vom Vater auf den Sohn zu kümmern, so wie das auch jeder Metzgermeister tut. Im Hause Hooker, established 1917, hält nun nach dem Vater John Lee Hooker senior (sein Trademark-Hit: „Boom Boom“) der Sohn John Lee Hooker junior die Gitarre. Und spielt den Blues. Am heutigen Freitagabend zum Beispiel im Ratskeller Köpenick.

Ohne Feuer aber kann diese Traditionspflege um den Blues recht muffig klingen, immer nur mit dem „Hoochie Coochie Man“ und den anderen Stampfern, gemaßregelt nach den alten zwölf Takten, zu denen die Bierhumpen im Takt schlagen auf den Straßenfesten und in den dunklen Jazzkellern, wo der Blues noch sein Asyl genießt, weil ihn auf den ganz großen Bühnen keiner mehr haben will, wenn er nicht gerade Eric Clapton heißt. Und das ist schon der richtige Name, um sich an die alten Aufgeregtheiten zu erinnern, weil Eric Clapton ja nicht immer nur Eric Clapton war, sondern, so Mitte der Sechziger, einmal auch Gott (so stand es an den Wänden von London), als sich die ganze Rockmusik um den Blues als ihren Stammvater noch wirklich kümmerte und sich dabei sogar an die ganz alten Kämpen aus dem Mississippi-Delta erinnerte wie Robert Johnson. Von dem erzählt man sich gern, er habe seine Seele dem Teufel hingegeben, im Tausch gegen besseres Spiel auf der Gitarre.

Mittlerweile aber läuft die Gitarre in der Popmusik eher nur noch so im Mittelfeld mit, und auch der Blues will einem heute vorkommen wie ein lästiger alter Verwandter, der von den Nachkommen aus dem Familiengeschäft gedrängt wird. Die Buchstabenfolge R&B zum Beispiel bezeichnete früher Rhythm and Blues und soll nun für Rap ’n’ Beat stehen. Trotzdem ist der Alte einfach nicht totzukriegen, muss man nur mal bei den Platten von Jon Spencer mit seiner Blues Explosion oder den White Stripes reinhören.

Der Blues. Eine Stimmungssache. „The blues is nothing but a pain in your heart“, sang Billie Holiday, die das mit ihrem geschundenen Leben schon wissen musste, in „Lady Sings the Blues“. Am 17. Juli 1959 ist sie gestorben. Heute vor fünfzig Jahren. Zur Erinnerung hört man ihr herzaufreißendes „Strange Fruit“. In dem Lied geht es um Lynchmorde. Zuerst in einer Version von Billie Holiday, dann in der Fassung von Robert Wyatt.

Und dann noch einmal andersherum. THOMAS MAUCH