Besser als Nordkorea

Der Hoyzer-Skandal hat die Schiedsrichter verunsichert. Funktionäre beklagen Rückgang der Nachwuchszahlen

RUHR taz ■ Im Vergleich zu ihrem Kollegen in Nordkorea können die Fußball-Schiedsrichter hierzulande nicht meckern. In Pjöngjang wurde der Referee bei einem WM-Qualifikationsspiel von Zuschauern und Spielern tätlich angegriffen, auf dem Fußballplätzen an Rhein und Ruhr bleibt es meist bei Schmährufen. „Seit der Wettaffäre nehmen die Pöbeleien zu“, sagt Gundolf Walaschewski, Schiedsrichterausschuss-Vorsitzender beim Fußballverband Westfalen.

Als die Manipulationsvorwürfe gegen den Berliner Schiedsrichter Robert Hoyzer im Januar öffentlich wurden, war noch Winterpause. Erst seit kurzem pfeifen die Unparteiischen im Amateurbereich wieder. An jedem Wochenende bekommen die Schiedsrichter jetzt ein Feedback von der Fußballbasis. „‘Hoyzer‘-Rufe oder Fragen wie ‚Heute schon gewettet?‘ müssen sich jetzt viele Schiedsrichter anhören – bis runter zur Kreisklasse und in den Jugendbereich“, sagt Walaschewski. Eine spezielle Anweisung an die kritisierte Kaste in Schwarz gebe es nicht, sagt er. „Wir sagen den Schiedsrichtern: Geht raus mit breiter Brust und befleißigt Euch, möglichst keine diskussionswürdigen Entscheidungen zu fällen.“

Ein frommer Wunsch. Seit Hoyzer ist jeder Schiri umstritten. Vier Referees gelten als Verdächtige im Wettskandal – aber fast 20.000 ihrer NRW-Kollegen müssen den Skandal allwöchentlich auf den Ascheplätzen von Alsdorf bis Vlotho ausbaden. Manchmal trägt der DFB auch mit zweifelhaften Ansetzungen dazu bei, die Schiri-Großdebatte weiter anzuheizen. So wird der Berliner Schiedsrichter Manuel Gräfe – er war einer der Offiziellen, die den DFB auf Unregelmäßigkeiten im Fall Hoyzer hingewiesen hatten – seit Wochen eingesetzt, obwohl seine Leistungen nach Bekanntwerden des Skandals – vorsichtig ausgedrückt – nachlassen. So verhängte Gräfe beim Dortmunder Bundesliga-Auswärtsspiel in Nürnberg Anfang März drei sinnlose Elfmeter. Die lächerliche Vorstellung des Schiedsrichters kommentierte DFB-Schiedsrichtersprecher Manfred Amerell mitleidig: „Sie müssen für sich selbst und mit unserer Hilfe die Stresssituationen psychisch abarbeiten, dann geht es weiter.“

Am vergangenen Wochenende ging der Stress für den indisponierten Gräfe beim Regionalligaspiel Düsseldorf gegen Osnabrück weiter. Erst sprach er rätselhafte Verwarnungen aus, dann soll er laut Zeitungsberichten in der Halbzeitpause in die Kabine gegangen sein und den Spielern angeblich gedroht haben, sie wahllos vom Platz zu schmeißen. Höhepunkt: In der 95. Minute gab Gräfe einen kontroversen Foulelfmeter – bevor er von aggressiven Zuschauern eine Bierdusche verpasst bekam. Die Fortuna-Fans ärgerten sich über den späten 2:2-Ausgleich und riefen „Fußballmafia DFB!“.

Jede Fehlentscheidung ist jetzt ein Skandal. Schon gibt es erste Anzeichen, dass weniger junge Leute Lust haben, Schiri zu werden. „Bei den Seminaren für neue Schiedsrichter haben wir einen Rückgang um 50 Prozent“, sagt der westfälische Schiri-Funktionär Gundolf Walaschewski. Ohnehin sei der Altersschnitt der 6.800 Regelhüter in seinem Verband zu hoch. „50 Prozent der Schiedsrichter sind über 50 Jahre alt“, sagt Walaschewski. Die Anwerbemethoden des DFB müssten moderner und positiver werden, fordert er. „Diese Kampagne ‚Ohne Schiri geht es nicht!‘ ist zu negativ“, sagt Walaschewski. Den interessierten Jungen und Mädchen bringe das Ehrenamt eine „Kompetenz-erweiterung“, die auch gesellschaftlich anerkannt werden müsse. Um „schwarze Schafe“ wie Hoyzer zu verhindern, will Walaschewski bei der Schiri-Schulung stärker auf den Charakter achten. Doch vielleicht sind ja gerade die alten Schiris die Besten. Der älteste Referee im Fußballverband Westfalen ist mittlerweile 81. MARTIN TEIGELER