Trauer um den Chefsanierer

Der plötzliche Tod des BVG-Chefs schockt Mitarbeiter und Politik. Andreas von Arnim wurde 46 Jahre alt. Er hat in den zweieinhalb Jahren bei der BVG für Skandale gesorgt, aber auch einiges bewegt

VON ULRICH SCHULTE

Statt der üblichen Beschwerden gehen bei der BVG gerade Kondolenzmails ein, selbst von Fahrgästen. Völlig unerwartet kam der Tod des Vorstandsvorsitzenden Andreas von Arnim, der zweieinhalb Jahre das Gesicht der Verkehrsbetriebe war. Der 46 Jahre alte Manager war am Mittwoch bei einem Physiotherapie-Termin zusammengebrochen und gestorben. Eine Obduktion soll Anfang kommender Woche klären, woran.

Die Stimmung in der Hauptverwaltung ist gedrückt, die Mitarbeiter tragen sich ins Kondolenzbuch im Foyer ein. „Damit hat keiner von uns im Entferntesten gerechnet“, sagt Sprecherin Petra Reetz.

Andreas Graf von Arnim, der seinen Titel brandenburgischem Adel verdankt, wirkte jovial mit seiner bärigen Statur und dem Vollbart. Er ließ sich von Freunden mit „A. v. A.“ rufen, dem Spitznamen der Schulzeit, bezeichnete sich aber auch als „schnell, manchmal ungeduldig“. Bei der BVG ist er im Oktober 2002 als Sanierer angetreten, als Mann fürs Grobe. Er hatte zuvor bei der Unilever-Gruppe und McKinsey gearbeitet, war dann Chef beim Sicherheitsdienstleister Raab Kaarcher und der Kommunikationsfirma Micrologica in Hamburg. Kurz: Fachfremder geht’s nicht. In der BVG, eher Behörde denn Unternehmen, wurde er kritisch beäugt – ebenso von den Verkehrsexperten der Stadt.

Mit der Führung von Deutschlands Nahverkehrsriesen, der mit 1 Milliarde Euro verschuldet ist, übernahm von Arnim einen der härtesten Jobs Berlins. Der Senat kürzt die Landeszuschüsse, Mitarbeiter beharren auf ihren Pfründen, der EU-Wettbewerb kommt 2008. Der Fremde hat viel in seinen zweieinhalb Jahren bei der BVG bewegt, wenn auch einiges in die falsche Richtung.

In von Arnims Zeit fiel mit der Einführung des Metrolinien-Konzeptes Mitte Dezember die größte Netzumstellung, die die BVG je verwirklicht hat – sie ist bis heute bei Fachleuten wie Fahrgästen heftig umstritten.

Der Chef gab früh die Formel heraus, die BVG habe 30 Prozent zu viel Personal, das – im Vergleich mit anderen Verkehrsbetrieben – 30 Prozent zu viel verdiene. Mit solch forschen Ansagen brachte er Schwung in die verkrustete Behörde BVG – ein großes Verdienst. Von Arnim machte sich damit aber auch Feinde, gerade bei den Personalvertretern. Er war keiner, der die Konfrontation scheute. So schob er etwa den Spartentarifvertrag an, der kürzere Wochenarbeitszeiten und Verzicht auf Urlaubsgeld oder Gehaltserhöhungen fordert – die Verhandlungen liegen allerdings auf Eis.

Während von Arnim nicht müde wurde, Verzicht zu fordern, genehmigte er dem Führungspersonal eine luxuriöse Entlohnungspraxis: Im vergangenen Jahr musste er sich vom Rechnungshof vorhalten lassen, dass über 70 Führungskräfte der BVG deutlich über Tarif bezahlt werden und mancher gar mehr bezieht als ein Universitätspräsident. 80 Leute kutschierten in Dienstwagen umher, gerne in 5er-BMWs. Thilo Sarrazin (SPD), Finanzsenator und BVG-Aufsichtsratschef, rüffelte den Manager, die Staatsanwaltschaft ermittelte seitdem wegen des Verdachts der Untreue.

Auch das eigene Gehalt war nicht ohne, wenn auch von Thilo Sarrazin (SPD), Finanzsenator und BVG-Aufsichtsrat, abgesegnet: Von Arnim bezog ein Jahresgehalt von 300.000 Euro. Das Land legte eine Prämie von 30 Prozent drauf, wenn die BVG vereinbarte Sparziele erreichte.

Chef von Arnim bescherte seinem Unternehmen also immer wieder Schlagzeilen, auch durch mehr als unkonventionelle Vorschläge. BVG-Busfahrer könnten sich doch als Ich-AG selbständig machen, war so einer. Doch betriebswirtschaftlich hatte er Erfolg: Die Zahl der BVG-Mitarbeiter sank ohne betriebsbedingte Kündigungen, die Fahrgastzahlen stiegen. 2004 verbesserte das Unternehmen sein operatives Ergebnis auf minus 75 Millionen Euro, 2003 waren es noch minus 86 Millionen gewesen.

Jetzt führen Betriebsvorstand Thomas Necker und Personalvorstand Hilmar Schmidt-Kohlhas die BVG, bis ein neuer Chef gefunden ist. Das kann dauern bei einem Unternehmen, „das zur Sanierung verdammt ist“ (Reetz). Am 18. April tagt der Aufsichtsrat, der über die Ausschreibung befinden muss. Die Suche nach Andreas von Arnim, der Frau und zwei Söhne hinterlässt, hatte ein gutes Jahr gedauert.