Ein bisschen Frieden auf dem Bürgersteig

Fußgänger- und Radfahrerinitiativen fordern gemeinsam Respekt für schwache Verkehrsteilnehmer. Sonntag gehen sie für mehr Fahrradstreifen, Parkgebühren und Tempo 30 auf die Straße – nichtmotorisiert selbstverständlich

Der Transporter steht an der Schönhauser Allee mitten auf dem Bürgersteig, Fußgänger und Radfahrer drängeln sich mühsam auf dem engen Radweg vorbei. „Der Autofahrer geht den Weg des geringsten Widerstandes – auf der Straße würden alle hupen, auf dem Radweg immerhin klingeln. Fußgänger können beides nicht“, kommentiert Elmar Hinz vom Verkehrsclub Deutschland den Film, den ein Radfahrer mit Handkamera gedreht hat. Jeder, der in der Stadt ohne Auto unterwegs ist, kennt solche Szenen.

Das Stück – „aufgenommen in zwei Stunden, nichts gestellt, alles live“ (Hinz) – sagt eine Menge über das Miteinander von Radlern und Fußgängern auf Berlins Bürgersteigen, das oft gezwungenermaßen in ein Gegeneinander mündet. Eine große Koalition der Interessenvertreter nichtmotorisierter Verkehrsteilnehmer forderte gestern einen friedvollen Umgang aller Parteien – darunter etwa der Verein Per Pedes, der Verkehrsclub Deutschland oder die Grüne Liga.

Ihre Vorschläge sind nicht neu, einige gehören schon lange zum Glaubensbekenntnis von Rad- und Fußgängerlobby: Radstreifen auf den Fahrbahnen statt Gehweg-Radwegen, flächendeckende Parkraumbewirtschaftung, Tempo 30 innerhalb des S-Bahn-Rings oder fußgängerfreundliche Ampelschaltungen. Kurz: mehr Respekt für nichtmotorisierte Verkehrsteilnehmer – von den zuständigen Behörden wie von den Autofahrern. „Uns geht es darum, nicht gegeneinander ausgespielt zu werden“, sagt Elmar Hinz.

Ihr Anliegen werden die Initiativen mit einer gemeinsamen Demonstration auf die Straße tragen. Am Sonntag geht’s um 14 Uhr an der Weltzeituhr auf dem Alexanderplatz mit Livemusik los, die Demonstranten ziehen – Radfahrer schiebenderweise – am Hackeschen Markt vorbei bis zum Bahnhof Friedrichstraße. Ab dort geht es getrennt weiter. Fußgänger können ab 15.45 Uhr bei einer Stadtführung mitgehen, die wertvolle Tipps für die laufende Zunft gibt. Treff ist Unter den Linden Ecke Charlottenstraße. Radfahrer machen eine Rundtour über den Großen Stern, den Breitscheidplatz und den Potsdamer Platz, bis sie sich vor dem Reichstag mit den Fußgängern zur Abschlusskundgebung vereinen.

Die Stadtentwicklungssenatorin hatte übrigens keine Zeit für die Pressekonferenz der Rad- und Fußgängerlobby in ihrem eigenen Haus. Ingeborg Junge-Reyer musste den Autotunnel am Alexanderplatz eröffnen. ULRICH SCHULTE