Zwei Länder, ein Freistaat

Berlin und Brandenburg wollen im Falle eines Regierungswechsels doch fusionieren. Es wird sogar geprüft, ob ein gemeinsamer Freistaat die Länderrechte gegenüber dem Bund sichern könnte

VON UWE RADA

Der mutmaßliche Machtwechsel im Kanzleramt wirft nicht nur in der rot-grünen Koalition seine Schatten voraus, sondern auch in Berlin und Brandenburg. „Sollte Angela Merkel Gerhard Schröder ablösen, stellen sich auch für uns einige Fragen neu“, sagte gestern der Chef der Potsdamer Staatskanzlei, Clemens Appel, nach einem Gespräch mit seinem Berliner Kollegen André Schmitz. Appel und Schmitz hatten sich zusammen mit der Gemeinsamen Landesplanung (GL) in Werder (Havel) getroffen, um doch noch Möglichkeiten einer intensiveren Zusammenarbeit beider Länder auszuloten.

Wie die taz erfuhr, ist dabei auch der Gedanke einer Länderfusion noch im Jahre 2009 wieder aufgenommen worden. Dies mache aber nur Sinn, wenn beide Länder gleichzeitig ihre Rolle im Bund stärkten, sagte Staatskanzleichef Clemens Appel. Ähnlich äußerte sich auch André Schmitz. „Zwei schwache Partner ergeben zusammen einen starken Verhandlungspartner gegenüber dem Bund. Und genau darum geht es.“

Bis vor kurzem noch hatte Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) eine Länderfusion mit dem Hinweis auf den Berliner Schuldenberg als unrealistisch abgetan. Doch schon Anfang des Jahres hatte er sich wieder eine Hintertür aufgemacht. „Sobald die finanziellen Rahmenbedingungen bekannt sind, werden wir stramm auf die Volksabstimmung hinmarschieren“, war Platzeck nach einer gemeinsamen Kabinettssitzung mit dem Senat im Januar zurückgerudert. Im Klartext: Ist die Klage Berlins beim Bundesverfassungsgericht erfolgreich, stimmt auch die Brautgabe für die Länderehe. Eine Volksabstimmung, so Platzeck im Januar, könnte dann 2010 und die Fusion 2013 über die Bühne gehen.

So lange will man nun nicht mehr warten. Offenbar fürchten sowohl Berlin als auch Potsdam einen Regierungswechsel mehr als den jeweils anderen Schuldenberg. Schließlich stünde mit den Bundestagswahlen 2006 auch die bisherige Form des Föderalismus auf dem Spiel. „Sollte Angela Merkel Kanzlerin werden“, hieß es aus dem Roten Rathaus, „bedeutet das für die SPD-geführten Länder im Osten nichts Gutes.“ Auch die Bundeshilfen für das rot-rot regierte Berlin stünden dann auf dem Prüfstand. Aber auch Brandenburg fürchtet eine CDU-Bundesregierung. „Den Länderfinanzausgleich können wir dann vergessen. Unter Merkel wird die Republik unter den B-Ländern aufgeteilt“, sagte Clemens Appel gestern. „Für uns bleibt da nichts mehr übrig. Umso wichtiger ist es für die restlichen SPD-Länder, das Thema Föderalismus mit eigenen Akzenten zu besetzen.“

Um das zu tun, scheinen Berliner und Brandenburger SPD auch keine Scheu davor zu haben, sich aus dem politischen Gemischtwarenladen des Gegners zu bedienen. Wie die taz erfuhr, sei auch die Proklamation eines gemeinsamen Bundeslandes als Freistaat nicht mehr ausgeschlossen. Zwar rechne man nicht damit, dass es in der Bundesrepublik in absehbarer Zeit ein Freistaatenprivileg geben wird, hieß es aus der Potsdamer Staatskanzlei. Gleichwohl hätten die Erfahrungen in Bayern, Thüringen und Sachsen gezeigt, dass sich mit dem Passus „Freistaat“ in der Verfassung bei den Bürgern Länderinteressen stärker gegen den Bund mobilisieren ließen. Entschieden sei aber noch nichts in dieser Richtung.

Während die Berliner PDS bereits Zustimmung signalisiert hat, ist weiter unklar, wie sich die Brandenburger CDU verhält. „Fusion ja, aber nicht gegen den Bund“, sagte Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm. „Es sei denn“, ließ sich auch Schönbohm eine Tür offen, „der neue Freistaat bekommt den Namen Preußen.“