Eine fragwürdige Alternative

Pflanzenhormone galten lange als das Wundermittel in der Frauenheilkunde, doch nun bröckelt das positive Image des sanften Heilmittels. Über die gesundheitlichen Risiken von Sojapräparaten sei bisher noch viel zu wenig bekannt, warnen Experten

Bislang raten die Experten daher einmütig vom Griff zur Sojapille ab

VON KATHRIN BURGER

„Brennholz, Reis, Öl, Salz, Soja, Essig und Tee – diese sieben machen eine Familie reich.“ So lautet ein Sprichwort aus dem alten China. Es belegt, welche Bedeutung der Sojabohne in Asien beigemessen wird. Heute glaubt man auch bei uns: Die Sojabohne ist vor allem gesund. Sie gilt als Allheilmittel. Und obwohl seit einiger Zeit schon Studien vorliegen, die aufzeigen, dass die Inhaltsstoffe der Bohnen auch eine negative Wirkung auf die Gesundheit haben können, preisen zahlreiche Firmen ihre Sojapräparate immer noch als „alternative und sanfte Medizin“ an.

Besonders Frauen sollen von den Wunderstoffen der Bohnen, den Phytohormonen, profitieren. Ein Blick nach Asien soll genügen: Die Frauen dort haben auch im Alter schöne Haare, schöne Haut, leiden kaum unter Wechseljahrsbeschwerden und erkranken seltener an Brustkrebs, Osteoporose und Herzinfarkt.

Wissenschaftler erklären das so: Die Phytohormone wirken im Körper wie das weibliche Sexualhormon Östradiol – schützen Adern vor Verkalkung, senken unerwünschtes Blutfett, verhindern den Knochenabbau, wenn der Körper nach dem Klimakterium selber nur noch wenig des Sexualhormons produziert. Doch anscheinend mit dem Unterschied, dass sie das Wachstum von Brust- und Gebärmuttergewebe nicht stimulieren, wie das vom Östradiol bekannt ist. Da die Hormonersatztherapie in Verruf geraten ist und sie nur noch in seltenen, schwer wiegenden Fällen verschrieben werden soll, setzen nun viele Frauen in Europa und den USA auf die sanfte, pflanzliche Alternative Soja.

Genaue Zahlen, wie viele Sojapräparate in Deutschland täglich über den Ladentisch gehen, gibt es zwar nicht, da die Pillen nicht verschreibungspflichtig sind. Aber Alfred Mueck, Endokrinologe und Mitglied der Deutschen Menopause-Gesellschaft bestätigt und beobachtet den Trend – mit Argusaugen. „Denn über die Risiken von Sojapräparaten weiß man reichlich wenig“, so der Hormonexperte. Auch die North American Menopause Society riet kürzlich von der Selbstmedikation mit Sojapräparaten ab.

Einige Studien bescheinigen der Bohne schlicht Unwirksamkeit. So beleuchtete eine Untersuchung der Universität Minnesota im vergangenen Oktober 25 Studien zum Gesundheitspotenzial der Phytohormone. Das Fazit: Keine Hilfe gegen Hitzewallungen. In einer niederländischen Studie aßen 202 Probandinnen täglich ein Jahr lang phytohormonreiches Eiweißpulver. Ebenfalls ohne Erfolg für die Gesundheit der Testpersonen. Denn weder die Knochendichte noch die Blutfettwerte verbesserten sich durch die spezielle Eiweißdiät.

Andere Studien geben Grund zur Annahme, dass Sojapräparate sogar krebsfördernd sein können. Professor Manfred Metzler von der Universität Karlsruhe hat an Zellkulturen nachgewiesen können, dass Abbauprodukte der pflanzlichen Hormone teilweise eine stimulierende Wirkung auf Krebszellen haben, indem sie die Zellteilung stören. Dass Frauen, die viel Soja auf dem Speiseplan haben, auch seltener unter Wechseljahrsbeschwerden leiden, dafür könne auch ein anderer Inhaltsstoff der Sojabohne verantwortlich sein.

Professor Gerhard Rechkemmer, Direktor der Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel, erforscht ebenfalls die Wirkung von Phytohormonen auf die Krebsentstehung. „Die Pflanzenstoffe bremsen das Wachstum der Krebszellen nur in einer ganz bestimmten Dosierung. Bei einer höheren Dosis ist aber das Gegenteil der Fall. Dann wachsen die Krebszellen sogar schneller“, so der Forscher. Bislang raten die Experten daher einmütig vom Griff zur Sojapille ab.

Die Heilwirkung der Sojabohne wird damit allerdings nicht vollkommen in Frage gestellt. So belegt eine vor kurzem von Siyan Zhan and Suzanne Ho von der Chinesischen Universität Hongkong in der Fachzeitschrift American Journal of Clinical Nutrition veröffentlichte Studie, dass Sojaproteine eine cholesterinsenkende Wirkung haben. Dieser Effekt tritt aber nur dann ein, wenn die Proteine noch ihre natürliche Struktur besitzen.

Andere Studien belegen, dass eine lebenslange sojareiche Kost positive Wirkungen zeigt – was mit westlichen Ernährungsgewohnheiten jedoch schwer zu vereinbaren ist, da Tofu oder Sojamilch dann täglich auf den Speiseplan gehören würden.

Vielleicht liegt das Geheimnis der gesunden Asiatinnen auch gar nicht in ihrer Ernährung. Die Ärzte Theda Borde und Matthias David von der Berliner Charité schreiben in Band 28 der Schriftenreihe zur Gesundheitsanalyse „Wechseljahre multidisziplinär“ dem Selbstverständnis der alternden Frau eine wichtigere Bedeutung zu: „Der Status einer asiatischen Frau erhöht sich mit dem Alter. Zudem sehen sie die Menopause als Befreiung von Menstruationsbeschwerden und Verhütung. Hindu- und Muslimfrauen dürfen erst im Alter an speziellen Riten teilnehmen. In Europa fühlen sich dagegen viele nach der Menopause nicht mehr als vollständige Frau. Es wird sogar fast erwartet, dass Frauen in einem bestimmten Alter Hitzewallungen haben und depressiv werden.“