Wie Leistungssport

„Wertvolles bewahren“: Seit gut vier Jahrzehnten ist die Akademische Musikpflege an der Uni Hamburg etabliert. Eine Immatrikulationsbescheinigung wird von Sängern und Instrumentalisten nicht verlangt, dafür große Disziplin

von Anja Humburg

Sie ist laut eigenem Bekunden eine „Besonderheit in der Hamburger Musiklandschaft“. Und, so könnte man hinzufügen, eine mit Tradition. 1961 gründete Jürgen Jürgens die Akademische Musikpflege der Universität Hamburg. Heute, gut vier Jahrzehnte später, kämpft sie mit dem neuen Zeitgeist: „Den Wunsch nach wahnsinniger Flexibilität können wir einfach nicht erfüllen“, sagt Ursula Jürgens, Ehefrau des 1994 verstorbenen Gründers. Sie verwaltet die Akademische Musikpflege im musikwissenschaftlichen Institut. „Wir betreiben lebendige Kulturpflege“, beteuert Jürgens, „damit wollen wir verhindern, dass etwas sehr Wertvolles in unserer rasenden Gesellschaft verloren geht.“

Vier Stränge laufen unter dem Dach der Akademischen Musikpflege zusammen: Der Unichor mit seinen etwa 80 Sängern und das 60 Instrumentalisten starke Uniorchester bilden zusammen eine Einheit. Der renommierte Monteverdi-Chor unter der Leitung des Leipzigers Gothart Stier ist ein weiteres unentbehrliches Element. Die Bigband und die Camerata Accademica, ein Kammerorchester mit historischen Instrumenten, gehören außerdem dazu. Insgesamt musizieren etwa fünf Prozent der Studenten in dem Institut.

Unichor-Sprecherin Wiebke Preuss fällt auf: „Viele unserer Musiker kommen aus technischen, medizinischen oder naturwissenschaftlichen Fachbereichen.“ Allerdings engagieren sich dort längst nicht bloß Studis, sondern auch akademische Mitarbeiter und motivierte Uniferne. Das Altersspektrum reicht von 18 bis 69 Jahren. Über zu wenige Neumitglieder könne sie sich nicht beschweren, ergänzt Jürgens, die vergangenen Jahre seien vielmehr von einer „Wellenbewegung“ geprägt gewesen.

Zu Beginn der Vorlesungszeit präsentiert Chor- und Orchesterleiter Bruno de Greeve stets seine neueste Entdeckung. „Manchmal gibt es nicht mal Tonaufnahmen von den Stücken, die Noten sind oft noch handschriftlich verfasst“, erzählt Claudia Habenicht. Die werdende Maschinenbauerin spielt seit 1998 Querflöte im Uniorchester. „Das, was wir spielen, ist oft sehr ungewöhnlich und vielfältig, nicht das Bewährte, was das Publikum erwartet“, betont die 29-jährige TU-Studentin. Sie nutzt die Proben, um „den Kopf frei zu kriegen und Fremdimpulse zu schlucken“.

Für das Sommersemester steht George Dysons „Canterbury Pilgrims“ von 1930 auf dem Plan. „Chor und Orchester übernehmen jeweils eigenständige Parts, die – wenn sie zusammengefügt werden – zu etwas ganz Neuem zusammenwachsen“, begeistert sich Habenicht. Der Erfolg ließe sich weder in Noten messen noch mit Geld belohnen, sondern mit Applaus. „Das Schönste ist der Schlussakkord auf dem großen Universitätskonzert am Ende des Semesters“, schwärmt sie. Das sei eben das „Abenteuer Bruno de Greeve“.

Diesen „Luxus“ könne sich die Akademische Musikpflege jedoch nur leisten, weil der „finanzielle Rückhalt“ durch die Universität Hamburg gewährleistet sei, betont Jürgens. 3.000 Euro allein für Sachmittel steuert die Universität pro Jahr bei, zudem begleicht sie Defizite, die bei den Konzerten zum Beispiel durch fehlende Besucher entstehen. „Wir wiederum nehmen unter dem Siegel der Uni eine repräsentative Funktion für die Hochschule ein“, macht Jürgens deutlich.

„Nach außen hin wirken die große Disziplin, die wir verlangen, und wohl auch unser Name ein bisschen verstaubt,“ überlegt Habenicht. Von „Vereinsmief“ sei innen aber nichts zu spüren, bekräftigt Preuss. Sie sind sich einig: „Bei uns zu musizieren ist wie Leistungssport betreiben,“ und der sei ja auch alles andere als altmodisch.

Der Chor trifft sich am 5. April von 19.30 bis 22 Uhr zu einer offenen Probe, am 6. April von 19.30 bis 22 Uhr findet der Neumitgliederabend des Orchesters statt. Näheres unter www.uni-hamburg.de/Akamusik und ☎ 428 38-57 73.