Studieren ohne Netz

von Eva Weikert

„Keine Studiengebühren ohne soziale Absicherung“, lautete die Parole, mit der Hamburgs Wissenschaftssenator Jörg Dräger den Tabubruch Bezahlstudium in der Hansestadt vorbereitet hat. Jetzt sind die Gebühren zum Greifen nah, doch ein Studienfinanzierungssystem in weiter Ferne. Der Parteilose verlässt sich voll auf Berlin, wo die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) an einem Studentendarlehen bastelt. Hamburg selbst, das ist inzwischen klar, legt kein Kredit- oder Stipendienprogramm auf, obwohl es per Klage die 500-Euro-Maut durchgeboxt hat. Die Sorglosigkeit im Rathaus regt das Uni-Präsidium auf. Auch die Opposition schäumt, „der Senator drückt sich vor der sozialen Verantwortung“.

Dräger hält ein Darlehensmodell, das die KfW im Februar skizzierte, „für ein geeignetes Instrument der Studienfinanzierung auch für Hamburg“. Die Bank, die zu 80 Prozent dem Bund und zu einem Fünftel den Ländern gehört, will im Herbst ein Angebot für Studierende auf den Markt bringen. Es soll allen, die Bedarf anmelden, elternunabhängig zur Verfügung stehen – „um damit den Lebensunterhalt zu bestreiten“, betont KfW-Sprecherin Sonja Höpfner. Die Bank mache die Offerte nicht, „um die Studiengebühren zu finanzieren, sondern die Lebenshaltungskosten“. Denn auch ohne Gebühren sei die Lage der Studis bereits „höchst angespannt“.

„Kosten abgewälzt“

Dass die KfW lieber für Miete und Essen beispringen will, statt Ländergebühren vorzustrecken, ist dem Senat aber egal: „Die Scheine sind ja nicht gefärbt“, so Dräger. Studierende hätten einen „bestimmten Finanzbedarf“, und der KfW-Kredit könne auch Gebühren abdecken. Damit aber, kritisiert die grüne Opposition, nutze Hamburg die Bank, um seine Studiengebühren zu finanzieren „und Kosten auf den Bund abzuwälzen“. Würde zudem auf Stipendien verzichtet, warnt GALierin Heike Opitz, „erlangt die Verschuldung der Studierenden eine enorme Dimension“.

Doch auf Beihilfe können Hamburgs Studenten nicht hoffen. Dräger setzt sich im Gegenteil für die Abschaffung des Bafögs ein, das ein Teilstipendium ist, um mit diesem Geld die Studienkreditsumme zu strecken. Er rechne damit, dass auch künftig nur ein „kleiner Teil“ der Studis über Stipendien finanziert würde, die Unis, Bildungswerke und Stiftungen stellen könnten, so der Senator. Auch die Wirtschaft um Hilfe zu bitten, sei Aufgabe der Hochschulen selbst. Den Vorwurf, sich bei der Studienfinanzierung allein auf Berlin zu verlassen, weist er aber weit von sich: „Wenn wir Mobilität wollen, dann brauchen wir ein möglichst bundesweit zugängliches Finanzierungsmodell“, so Dräger: Und „warum sollte Hamburg einen Studierenden über einen niedrigen Zinssatz subventionieren, der später mal in Bayern seinen Abschluss macht und arbeitet?“

Die KfW verhandelt derzeit mit den Studentenwerken, welche die Kredite abwickeln könnten. „Dafür spricht, dass wir schon jetzt das Bafög und kleinere Kredite der KfW verwaltungstechnisch betreuen“, erklärt die Vize-Chefin des hiesigen Studentenwerks, Dagmar Höfer. Nach den Plänen der Bank brauchen ihre Kreditnehmer weder Bedürftigkeit nachzuweisen noch Sicherheiten zu stellen. Alle Studierenden sollen bis 650 Euro monatlich zu einem Zinssatz von 5,2 Prozent leihen können. Die Tilgung will die KfW individuell aushandeln, sie soll aber innerhalb von 25 Jahren nach Studienabschluss erfolgen. Das Ausfallrisiko sei im Zinssatz eingerechnet, so KfW-Sprecherin Höpfner.

In den Ohren von GALierin Opitz klingt das „unseriös“. Fünf Prozent Zinsen könnten die Ausfälle nicht decken. In Australien etwa, wo es ein ähnliches Kreditsystem gibt, übersteigen zurzeit die Kredite die Rückzahlungen um neun Milliarden Dollar. Bis 2007 erwarten Experten ein Loch von 15 Milliarden Dollar. „Auf längere Zeit ist der Zins kapitalmarktabhängig“, sorgt sich auch Uni-Chef Lüthje und verweist auf die Zeit, als Hypothekendarlehen mit zwölf bis 14 Prozent verzinst wurden. „Ein solcher Satz wäre für ein Studienfinanzierungssystem tödlich.“

Konzept Bildungssparen

Der KfW-Kredit allein sei zur sozialen Absicherung der Studenten darum „nicht ausreichend“, so der Präsident. Er erinnert daran, dass die Verfassungsrichter beim Kippen des Gebührenverbots die Länder zu sozialer Abfederung ermahnten. „Darum sehe ich Hamburg in der Pflicht, auch eigene Studienfinanzierungsmodelle vorzulegen.“

Notwendig sei eine Kombination aus Darlehen, Stipendien und einem neuen Bildungssparen, das in Höhe des Mindeststeuersatzes öffentlich zu fördern sei. Ähnlich wie beim Bausparen müsse die Politik jetzt Rechtsgrundlagen dafür schaffen, fordert Lüthje. Unterstützer für die Idee hat er gefunden: Die Hochschulrektorenkonferenz hat unter seiner Leitung eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die ein Konzept fürs Bildungssparen im Sommer vorstellen will.